Aufschwung - Zusammenbruch - Aufschwung... und so weiter?
Die Nachrichten der letzten Jahre, Monate und Tage dürften immer mehr Menschen
klarmachen, daß die Wirtschaft keine leichte Erkältung ("Konjunkturdelle"),
sondern eine ausgewachsene Lungenpest (Weltwirtschaftskrise) hat. Solche
Situationen wie ihre Begleiterscheinungen (Verarmung immer breiterer Schichten
zugunsten immer stärkerer Bereicherung einer sich verkleinernden Gruppe) sind
nicht neu und der Vorbote grundlegender Veränderungen. Sie werden auch als
"revolutionäre Situationen" bezeichnet.
Bisher wurden - bis auf wenige Ausnahmen - die Veränderungen gewaltsam
herbeigeführt. Dabei werden neue Organisationen geschaffen. In denen "buckeln
und treten" sich die aggressivsten Egoisten der nächsten Oberschicht an die
Spitze. Ziele und Ideale der Veränderung gehen verloren. Eigennutz und
Selbstherrlichkeit bestimmen zunehmend das Handeln (natürlich erzählt die neue
Oberschicht etwas Anderes). Die Hierarchien dienen dann an erster Stelle den
Personen an ihrer Spitze und der Schicht, welcher sie angehören - und nicht
mehr der Gemeinschaft. Das gilt für Unternehmen wie Parteien oder Staaten, und
im globalen Maßstab setzt die "zivilisierte westliche Welt" ihre Interessen
gegen den Rest der (Um-)Welt durch.
Wie kann aber eine langzeitstabile Veränderung erreicht werden? Meist ist der
Ausgangspunkt von Überlegungen die Schaffung einer Organisation mit einem Alles
zum Guten wendenden Programm. Jeder "Weltverbesserer" hält sich selbst für den
berufenen Heilsbringer, der an die Spitze gehört oder zumindest für einen der
Köpfe, welche die Führung übernehmen sollten. Er hat durchaus lautere Absichten
und ist von seiner Bescheidenheit und Uneigennützigkeit überzeugt. Er wäre aber
in der bekannten Geschichte eine Ausnahmeerscheinung, wenn er nicht nur der
Verlockung des Geldes und der Macht widersteht, sondern auch egoistischen und
aggressiven Konkurrenten. Das sollte zu Denken geben.
Kurz: Ich halte alle "Programme" für von vornherein zum Scheitern verurteilt,
auch wenn sie vorübergehende Erfolge im Interesse der Gemeinschaft erzielen.
Sie werden nicht ständig neu auf dieses Interesse ausgerichtet. Politische
Organisationen sind nicht in der Lage, langfristig das Zusammenleben von
Menschen zu steuern. Im Verlauf der Entwicklung von Hierarchien werden
kompetente, gemeinnützige Personen in Entscheidungspositionen durch
inkompetente, egoistische ersetzt (siehe Wende '89). Diese Erkenntnis ist alt:
Laurence J. Peter, Raymond Hull: "Das Peter-Prinzip oder Die Hierarchie der
Unfähigen". Meine wohl überheblich klingenden Aussagen lassen sich an
Geschichtsbüchern und Tageszeitungen leicht nachprüfen.
Dauerhafte Lösungen wie das Tausendjährige Reich (das aus der Bibel, nicht das
aus der deutschen Geschichte) sind nur bei allgemeinem persönlichem
gemeinnützigem Handeln möglich. Und das von jedem beliebigen Ausgangspunkt.
Möglicherweise sind Notsituationen sogar besonders günstig, weil Menschen dann
eher zum Umdenken bereit sind (Römische Unterdrückung zu Zeiten Jesu, Britische
Kolonialmacht bei Gandhi, Weltwirtschaftskrise und zunehmende
Umweltkatastrophen jetzt).
Wie? Eigenständig handelnde, im Austausch befindliche Personen beeinflussen
sich und ihre Umwelt nach 4 einfachen Grundsätzen jeder Handlung:
1. Das Ziel muß mit den zur Verfügung stehenden Informationen und Mitteln auf
dem geplanten Weg erreichbar sein.
2. Ziel, Mittel und Wege muß ich vor dem Rest der (Um-)Welt verantworten
können, das heißt, gemeinnützig handeln.
3. Mir selbst und Anderen muß ich das wegen der Gefahr des (Selbst-)Betrugs
klar und eindeutig begründen können.
4. Jedem, der diese Grundsätze verletzt, verweigere ich die Zusammenarbeit.
Das mag mühsam, langwierig und wenig erfolgversprechend klingen, ist aber der
einzige Weg, der zum dauerhaften Erfolg führt: Jeder, der nach diesen
Grundsätzen handelt, muß sie kennen und verstanden haben. Sie sind einfach
genug, daß Jeder den Inhalt begreifen kann (von erheblich Minderintelligenten
vielleicht abgesehen, deren Nutzen aber dennoch beidseitig gewährleistet ist).
Grundlagen sind die besten Lösungsstrategien des "Gefangenendilemmas"
(http://tobiasthelen.de/ipd/gesamt.html) bzw. christliche Verhaltensregeln oder
auch empirische Erfahrungen aus der Evolution:
1. Wie Du mir, so ich Dir. (Gemeinnutz)
2. Wie ich Dir, so ich mir. (weder Egoismus noch Altruismus)
3. Ich verweigere Nichtteilnehmern die Zusammenarbeit. (aber bekämpfe sie nicht)
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich automatisch eine demokratische Struktur von
Hierarchien: Auf individuellen Beziehungen aufbauend, regeln sie im gleichen
Sinne auch das Zusammenleben in und von Gruppen bis hin zur Menschheit und
stabilisieren sich mit wachsender Teilnehmerzahl selbst.
Daß das (wenn auch noch nicht perfekt) funktioniert, haben beispielsweise Jesus
und Gandhi nachgewiesen. Obwohl sie die geistigen Führer waren, setzten sie
sich nicht in eine Spitzenposition im Sinne heutiger Organisationen. Gerade
durch diese dezentrale Organisation wurde ein Schneeballsystem möglich.
Ein Negativbeispiel: Jede Art von Spekulation (Immobilien, Börse) dient rein
egoistischen Interessen und der Aneignung fremder Wertschöpfung. Die Befolgung
des Verweigerungsprinzips hätte "Kleinanleger" in den letzten Jahren vor viel
Schaden bewahrt. So haben sie aber die Früchte ihres Egoismus geerntet.
Konkrete Handlungsvorschläge:
Eigene Fehler aufspüren, abstellen und durch erklärende Vorbildwirkung Andere
beeinflussen. Die Neigung unterdrücken, Fehler bei Anderen zu suchen und sie
bei ihnen zuerst abstellen zu wollen. Verantwortung nicht übertragen, sondern
übernehmen, zunächst für eigene Belange (weg vom "in-die-Pflicht-Nehmen").
Kommunikation mit Gleichgesinnten (lokale und Internet-"Gemeinden") zum
Austausch von Ideen und Erfahrungen suchen.
15.12.2002
Torsten Reichelt