Wenn sich der Bock zum Gärtner macht...
Ob fortgesetzter Sparkurs, weitere Steuererhöhung und/oder wachsender
Schuldenberg - die Decke wird zu kurz bleiben. Warum?
Weil die falschen Fragen gestellt und die falschen Fakten betrachtet werden.
Seit Jahr(zehnt)en wird gespart (vorwiegend im Sozialbereich), werden Steuern
erhöht oder neu erfunden und ist der Schuldenberg gewachsen. Dabei hat der
Haushaltsumfang ständig zugenommen. Da stellt sich die Frage: wo ist der
gegenständliche Gegenwert geblieben?
Die Antwort ist einfach: In Immobilien, Luxusgütern und Vergnügungen derer, die
in den Genuß einer immer weiter zunehmenden Umverteilung der geschaffenen
gegenständlichen Werte kommen. Dieser Umverteilungsprozeß führt im Gegenzug
dazu, daß immer Weniger an der Wertschöpfung teilnehmen (wachsende
Arbeitslosigkeit). Die noch daran Teilnehmenden tun dies für ein unangemessenes
Entgelt. So führen Rationalisierungsmaßnahmen nicht zu einer proportional
höheren Entlohnung, sondern die größeren Gewinne werden in höheren Ebenen
verteilt.
Die Regeln dieser Umverteilung werden von ihren Nutznießern, deren Verwandten,
Bekannten und Geschäftspartnern festgelegt. Sichtbar wird das z.B. an
Aufsichtsratsposten, Beraterverträgen und Spendenaffären der Regierungs- und
Parlamentsmitglieder. Sie bewegen sich auch in direkter Abhängigkeit von ihrer
Position zunehmend in elitären Kreisen - mal abgesehen von Bundeskanzlers
jährlicher Buschlandsafari, wenn er zum Arbeiter-Händeschütteln in die Lausitz
fährt (solange er dort noch ein Exemplar dieser aussterbenden Art findet).
Im Volksmund nennt man so eine Organisationsform "den Bock zum Gärtner machen".
Wie sollen diese Regeln also etwas Anderem dienen, als einer weiteren
Verschärfung der Umverteilung und einem daraus resultierenden weiteren Klaffen
der sozialen Schere? Sowenig man eine Gelbsucht mit Make-Up behandeln kann,
wird irgendeine der genannten symptomatischen Maßnahmen zu etwas Anderem
führen, als zu einer Verschlechterung der Wirtschaftslage und Vergrößerung des
Haushaltsdefizits. Wie gesagt: Die Decke wird zu kurz bleiben.
08.11.2002
Torsten Reichelt