Logik auf bundesdeutsch
Was mich immer wieder fasziniert ist die Naivität, mit der BRD-Insassen die
absurdesten Widersprüche schlucken. Aber fast noch faszinierender ist die
Unverfrorenheit, solche zu verbreiten. Kürzlich las ich im Deutschen Ärzteblatt
einen Artikel, und zwar Leitartikel, welcher die neue EU-Arbeitszeitrichtlinie
behandelt.
Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs ist die zulässige
Wochenarbeitszeit derzeit auf 48 Stunden pro Woche begrenzt. Wer das KAPITAL
kennt, weiß, daß Kapitalisten, also auch die führenden Euroimperialisten, jede
Begrenzung der Arbeitszeit stört. Deshalb soll nun, insofern
Bereitschaftsdienste geleistet werden, die zulässige Wochenarbeitszeit auf 65
Stunden erhöht werden. Begründet wird das damit, man könne das Recht der
Arbeiter nicht beschneiden, soviel zu arbeiten, wie sie wollen. Natürlich nicht
wörtlich, sondern sinngemäß.
Nun hat die BRD im vorauseilenden Gehorsam dies schon längst, nämlich seit
1.1.2007, im neuen Arbeitszeitgesetz umgesetzt. Das heißt, man war zwar an die
48 Stunden laut einem EuGH-Urteil gebunden, fand aber eine Hintertür. Und die
geht so:
„...die wöchentliche Arbeitszeit darf durchschnittlich 48 Stunden nicht mehr
überschreiten. Bereitschaftsdienst gilt dabei in vollem Umfang als Arbeitszeit.
Sofern die Arbeitszeit Bereitschaftsdienst beinhaltet, besteht die Möglichkeit
einer Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit über 48 Stunden hinaus."
Das heißt also, Bereitschaftsdienst ist Arbeitszeit, aber diese Arbeitszeit ist
keine Arbeitszeit, weil sie Bereitschaftsdienst ist.
Etwas stellt der Ärzteblatt-Redakteur schon eingangs richtig fest: "Doch was
folgt daraus für die Arbeitszeiten der Ärztinnen und Ärzte in den deutschen
Krankenhäusern? Rechtlich gesehen: nichts." Narrenmund tut Wahrheit kund. Denn
das heißt: Scheißegal, wie die Höchstarbeitszeit im europäischen Maßstab
geregelt ist, 48, 65 oder 100 Stunden - in der BRD geht immer noch was. Das
Ergebnis: Übermüdete, schnell verschlissene Ärzte und deren Behandlungsfehler
auf der einen, jubelnde und kassierende Klinikeigentümer und deren
Verwaltungsleiter auf der anderen Seite.
Und da fragen sich die Verbrecher noch, wo wohl der Ärztemangel herkommt?
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