Die Lüge über die Bombardierung Dresdens - Version 2005
Im Rahmen der "wissenschaftlichen" Veranstaltung "Strategische und ethische
Probleme des Bombenkrieges - Das Beispiel Dresden" am 20.01.2005 hielt Herr
Frederick Taylor, Historiker, St. Keverne (Großbritannien) einen Vortrag zum
Thema: "Strategische Bedeutung des alliierten Bombenkriegs. Der Umgang mit dem
Verhängnis". Veranstalter war das Hannah-Ahrendt-Institut für
Totalitarismusforschung e.V..
Der Plenarsaal des Dresdner Rathauses war mit etwa 500 Besuchern recht voll.
Einleitend wurde darauf hingewiesen, daß es sich um eine wissenschaftliche
Veranstaltung handele, in der es um Aufarbeitung des Bombenkrieges und
insbesondere um die Angriffe auf Dresden geht. Das sei kein Podium für
politische Stellungnahmen und Ausbrüche. Falls die Veranstaltung gestört würde,
werde sie abgebrochen.
Die Sorge schien begründet, da sich unter den Anwesenden etwa 40 überwiegend
junge Nazis befanden, welche sich bezeichnenderweise rechts hinten im Saal als
Block niedergelassen hatten; Weitere saßen verteilt im Publikum. Das erklärt
auch das große Polizeiaufgebot.
Der Vortrag selbst war spektakulär unspektakulär. Herr Taylor begann bei der
Kriegführung gegen Städte in früheren Jahrtausenden, die erst ab dem ersten
Weltkrieg eine wesentliche Veränderung erfuhren: an die Stelle der Belagerung
trat mit der Möglichkeit von Luftangriffen ihre Zerstörung aus der Luft. Was
das mit ihrer letztlichen Einnahme durch Bodentruppen zu tun haben sollte,
wurde nicht klar.
Ausgiebig wurde die Karriere von Sir Arthur "Bomber" Harris, dem Befehlshaber
des britischen bomber command, dargestellt. Ein Wunder, daß seine Windeln
unerwähnt blieben. Besonders ausführlich und an mehreren Stellen wurden dagegen
seine Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen beschrieben: pedantisch,
kulturlos, bärbeißig, rigoros praktisch; eher ein aggressiver Manager als ein
Militär. Mir wurde erst allmählich klar, daß diese Charaktereigenschaften als
wesentlicher Faktor der Bombardierungen verkauft werden sollten. Später, aber
besser in diesem Zusammenhang darstellbar, erfolgte noch die Aussage, das ganze
britische Oberkommando sei "kulturlos" gewesen. Damit sollte wohl begründet
werden, daß ihnen die Kunst- und Kulturstadt Dresden, wenn nicht unbekannt, so
doch zumindest egal war.
Da der Vortrag überwiegend aus technischen und geschichtlichen belanglosen
Details bestand, möchte ich nur noch die wesentlichen Aussagen nennen, die zu
Gründen und Form des Angriffs gemacht wurden:
1. Durch die Bombardements sollten eine Revolte der Bevölkerung gegen die
Hitlerregierung provoziert werden.
2. Es ging nicht darum, den Widerstandswillen der Bevölkerung zu zermürben,
sondern der Angriff erfolgte als militärischer Beistand für die Sowjetarmee
durch: - Abschneiden des Nachschubs für die Ostfront durch
Zerstörung der Verkehrswege
[Anm. d. A.: die Hauptschienenverbindung über die Elbe lag außerhalb des
Angriffssektors]
- Panikstiftung und Stockung in
Flüchtlingsströmen zur Behinderung deutscher
Kampfhandlungen [Anm. d. A.: als ob zurückweichende Wehrmacht und vor Allem SS
je Rücksicht auf Zivilisten genommen hätten]
- Behinderung des Rückzuges deutscher
Truppen von der Ostfront [Anm. d. A.: als
ob die Rote Armee daran interessiert gewesen wäre, daß die deutschen Truppen an
ihrer Front bleiben]
3. Die Ausbildung der Bomberpiloten, punktgenau militärische Ziele anzugreifen,
war nicht möglich, so daß das Flächenbombardement der Innenstadt die einzig
mögliche Form des Angriffs war (was in einem Diskussionsbeitrag dadurch
entkräftet wurde, daß die US-amerikanischen Bomber beim Angriff am 17.04.1945
genau dieses "Unmögliche" taten).
4. Wegen Mangels an Sprengbomben erfolgte der Angriff überwiegend mit
Brandbomben. [Anm. d. A.: der zweite britische Angriff am Morgen des 14.
Februar erfolgte überwiegend mit Sprengbomben]
5. Der zweite Angriff erfolgte aufgrund einer persönlichen Entscheidung des
Angriffsführers (Zielmarkierers) jenseits der brennenden Innenstadt, da er
entschied, die Bomben jenseits der ohnehin zerstörten Fläche ostwärts
einzusetzen, da dies effektiver war. [Anm. d. A.: Im Widerspruch dazu steht ein
Funkspruch, und zwar der letzte dokumentierte, die Bomben seien auf das
brennende Stadtzentrum abzuwerfen.]
6. Tiefflieger und deren Bordwaffen kamen nicht zum Einsatz.
Fast müßig zu erwähnen ist, daß der Herr "Historiker" mehrfach von "Russen"
sprach, wenn es um die Sowjetarmee ging, was nicht nur einen abwertenden
Beiklang hat, sondern sachlich falsch ist. Statt "Faschismus" wählte er die in
der bürgerlichen Geschichtsschreibung übliche und irreführende Formulierung
"Nationalsozialismus".
Am Ende seines Vortrages kam Herr Taylor richtig ins Schluchzen und bekam kaum
noch einen Ton heraus. Der äußerst "sachliche" Vortrag und seine langweilige
Darstellungsweise brachten aber offensichtlich nur ihn zum Schluchzen. Denn die
folgende Diskussion verlief wie abzusehen: Wer von Herzen Dresdner ist, kennt
die Geschichte des 13. und 14. Februar. Und in Dresden wohnen dummerweise
Dresdner und lassen sich nicht so leicht Lügen auftischen.
Der erste Diskussionsbeitrag war schon kritisch, aber ich habe seinen Inhalt
leider nicht behalten. Der zweite kam von mir. Ich sagte, daß zwar alle
Nebensächlichkeiten ausführlich dargestellt wurden, aber die wahren Motive des
Angriffs auf Dresden unerwähnt blieben. Die formulierte ich so:
Die militärischen Ziele waren:
1. Test eines neuen Angriffsverfahrens auf dichtbebaute und nahezu unzerstörte
Stadtgebiete: Flächenbombardement mit massivem Einsatz von Brandbomben zum
Entfachen eines Feuersturmes.
2. Abschreckung gegenüber der Sowjetunion durch Demonstration der Wirksamkeit
dieser barbarischen Methode und der Bereitschaft, sie hemmungslos anzuwenden.
3. Bremsung des Vormarsches der Roten Armee durch Zerstörung der Transportwege.
Besetzung eines größeren Teils Deutschlands durch die Westalliierten und
Verhinderung der sozialistischen Umgestaltung in diesem Teil, als dies ohne die
Zerstörung Dresdens geschehen wäre.
4. Vernichtung ziviler Werte und Menschenleben. Der zweite Weltkrieg wurde
seitens der imperialistischen und faschistischen Kräfte von Anfang an als ein
Vernichtungskrieg gegen zivile Werte und Zivilisten geführt. Dies diente den
Rüstungsprofiten durch gigantischen Materialeinsatz, der Vernichtung
überflüssiger Arbeitskräfte und der Schaffung neuer Wachstumsmöglichkeiten. Der
Imperialismus steckte Anfang der 30er Jahre weltweit in einer
Überproduktionskrise und brauchte diese "Lösung". Im Fall Dresdens spielte ein
anderer Grund eine Rolle: Verschlechterung der Wiederaufbaubedingungen in den
künftigen sowjetisch besetzten Gebieten.
Nach mir ergriff ein anderer Genosse das Wort und wies darauf hin, daß der
deutsche Militarismus im Interesse der Imperialisten letztlich die Zerstörung
Dresdens verursachte und daß derzeit in der BRD Rüstungsgüter produziert
werden, um neue Kriege zu führen. Und daß insbesondere in Dresden neue
Tankflugzeuge für Aggressionskriege produziert werden, welche deutsche
militärische Einsätze "am Hindukusch" ermöglichen.
Eine Frau berichtete, sie und ihr Vater seien selbst von Tieffliegern
beschossen worden, deren Geschosse in eine Mauer neben ihnen einschlugen. Sie
fragte, ob Herr Taylor dennoch seine Darstellung aufrechterhalten wolle, daß es
diese Angriffe nicht gab. Nach seiner fundierten Antwort, äähm, ooh, das sei
eben das, was seine Quellen besagen, sagte sie nur, mit dieser Darstellung
müßte er wohl noch 20 Jahre warten, bis es keinen Augenzeugen mehr gäbe.
Ein anderer Teilnehmer fragte, wenn ein Lancaster-Bomber 90000 Pfund gekostet
habe, wer das Geld wohl bekam. Hier schwächelte Herr Taylor etwas, indem er
tatsächlich von Kapitalisten sprach (was ihm seine Auftraggeber bestimmt
übelnehmen).
Ein weiterer Diskussionsteilnehmer stellte die einfache Frage, ob der
Bombenangriff auf Dresden ein Kriegsverbrechen gewesen sei. Darauf kam
irgendwas von "Beurteilung Anderen überlassen", "nicht endgültig beurteilen".
Den Vogel schoß ein Kölner ab, welcher den Dresdnern Leidensverliebtheit
vorwarf, die Kölner hätten die Amerikaner schließlich in Karnevalskostümen
empfangen, trotz über 200 Bombenangriffen. [Anm. d. A.: Warum konnten bloß die
Dresdner die Vernichtung kultureller Werte und Angehöriger nicht auch so locker
hinnehmen?]
Der Veranstaltungsleiter vom Hannah-Arendt-Institut der TU Dresden begleitete
die Diskussionsbeiträge mit einem süffisanten Lächeln. Nur ein dummer Mensch
(der heute "Expertenstatus" genießt) kann derart arrogant auf die Demontage der
von ihm verbreiteten Lügen reagieren - wie immer dieser austauschbare Lakai der
Kapitalisten auch heißen mag (ich habe mir seinen Namen jedenfalls nicht
gemerkt).
Fazit: Die Veranstaltung ging (offensichtlich) für die Geschichtsfälscher vom
Hannah-Arendt-Institut mächtig in die Hose. Ich konnte hier nur Bruchstücke
wiedergeben, aber die Dresdner sind noch längst nicht bereit, derartige Lügen
hinzunehmen oder gar zu glauben. Sie lassen sich auch nicht von britischen
"Historikern" oder "Experten" beeindrucken und trauen lieber ihren Augen, ihren
Ohren und vor Allem ihrem Verstand.
Was schrieb hingegen die Sächsische Zeitung vom 21.01.2005, Seite 13?
Taylor übt harte Kritik an der Rolle der Briten
Viel Applaus erhielt gestern abend der britische Historiker und Buchautor
Frederick Taylor. Er ging in einem bewegenden Vortrag sehr hart mit der Rolle
der Briten im Zweiten Weltkrieg um. Im Anschluß daran fand eine zwar konträre
aber immer disziplinierte Diskussion statt. Zahlreiche Polizeibeamte und die
Ordner eines Sicherheitsdienstes haben das wissenschaftliche Forum des
Hannah-Arendt-Institutes im Rathaus aus Anlaß des 60. Jahrestages der
Bombardierungen Dresdens abgesichert. Etwa 500 Zuschauer, darunter auch
Anhänger der rechten und linken Szene, nahmen an der Veranstaltung teil. Es ist
weder im Vorfeld noch im Rathaussaal seelbst zu Störungen gekommen. Die Polizei
hat das Forum sehr ernst genommen. Rund 50 Beamte und etwa 15 Fahrzeuge waren
im Einsatz. "Wir zeigen Präsenz, um mögliche Randalierer von Störungen
abzuhalten", sagte der Polizeisprecher Marko Laske. Ausführlicher Bericht
folgt. (lex)
So etwas kommt also heraus, wenn Gegenwartsfälscher über fehlgeschlagene
Desinformationsveranstaltungen von Geschichtsfälschern berichten.
Am nächsten Tag erschien in der SZ der angedrohte „ausführliche Bericht":
Wie man ideologischen Missbrauch mit Applaus abwürgt
Von Oliver Reinhard
Debatte. Frederick Taylor sprach über die Zerstörung Dresdens 1945.
Bewegt schloss Frederick Taylor am Donnerstag seinen Vortrag über die
Zerstörung Dresdens 1945: „Es war nicht nur eine Katastrophe für Deutschland,
sondern für die gesamte Menschheit." Gewaltiger Applaus im überfüllten
Plenarsaal des Dresdner Rathauses antwortete dem britischen Historiker und
Autor eines Buches zum Thema, das er an diesem Abend vorstellte.
Mit Taylors Vortrag endete ein hochkarätig besetztes Forum über den Bombenkrieg
und Dresden, veranstaltet vom Dresdner Hannah-Arendt-Institut für
Totalitarismusforschung (HAIT). Sieben Beiträge hatten das Thema der
Katastrophe eingeordnet in historische, juristische und moralische
Zusammenhänge, ohne die sich ihre tatsächlichen Dimensionen nicht begreifen
lassen.
„Verbrechen oder nicht?"
So wertete Luftkriegsforscher Horst Boog die Strategie der Flächenbombardements
als vorläufiges Endergebnis eines langjährigen und internationalen Prozesses.
Dabei stellte er fest – ohne deutsche Verantwortung zu schmälern –, dass die
Angriffe auf Guernica, Warschau und Rotterdam keineswegs absichtliche
„Terror-Bombardements" waren. Vielmehr hätten sie primär militärischen Zielen
gegolten. Ähnlich wie Lothar Kettenacker vom Deutschen Historischen Institut
London äußerte Frederick Taylor die Ansicht, die eigentliche Eskalation zum
unterschiedslosen Luftkrieg habe 1942 mit Ernennung Arthur Harris' zum
Bomber-Chef der RAF und deren „Flächenbombardement-Doktrin" begonnen. Bei so
viel Übereinstimmung vermisste man durchaus einen Vortrag über deutsche
Mitverantwortung.
Deutlich wurde zudem das Dilemma in der Urteilssuche danach, ob Dresdens
Zerstörung ein Verbrechen war oder nicht. Der Wiener Rechtshistoriker Marcus
Hanke befand, es habe damals kein eindeutiges, international verbindliches
rechtliches Verbot von Angriffen gegen Zivilisten gegeben. Der Jurist Reinhard
Merkel dagegen sprach von einem „schlimmen Verbrechen", bezog sich dabei
allerdings eher auf moralische Aspekte und das Völkerrecht von 1949. Auch
Taylor wurde von einem grob auftretenden Zuhörer befragt: „Kriegsverbrechen
oder nicht?" Aufrichtige Antwort: „Ich wüsste es selber sehr gerne. Leider weiß
ich darüber immer noch viel zu wenig."
Die Diskussion mit Taylor, souverän moderiert von HAIT-Direktor Besier, war der
mit Sorge erwartete Höhepunkt. Sicherheitskräfte standen bereit, um notfalls
einzugreifen, was sich indes als unnötig erwies. Sogar eine Abordnung Neonazis
blieb friedlich. Man war wohl enttäuscht, dass Taylor kein Skandal-Autor und
Bombardierungs-Rechtfertiger ist, wie einige Politiker und Medien gehetzt
hatten.
Wie sich zeigte, wird die Leidenschaft einiger Dresdner für das Thema nur von
ihrer Unkenntnis übertroffen. Manchen ging es auch gar nicht ums historische
Geschehen: Sie nutzten das Forum zur Absonderung „linker" wie „rechter"
Fragwürdigkeiten und verdeutlichten so, in welch intensivem Maße die
Katastrophe bis heute ideologisch missbraucht wird.
Umso wohltuender war, dass Taylor besonnen blieb, ruhig antwortete, und die
Mehrheit des Dresdner Publikums den gröbsten Unfug aus dem Saal – von „Schuld
am Krieg ist nur das Kapital" bis „die Deutschen tragen nicht die Alleinschuld"
– laut missbilligte oder in höhnischem Applaus abwürgte. Auch die im Ton
törichte, im Kern aber interessante Klage eines Zuhörers, dass viele Bewohner
anderer im Krieg zerstörter Städte, die mit dem Schicksal „ihrer" Orte
zurückhaltender umgingen, das ewige und singuläre „Gedenk-Gejammer" in Dresden
satt hätten.
Lauter als nach Taylors Vortrag war nur der Beifall für die Worte eines
Überlebenden der Katastrophe: „Danke, dass Sie dieses hervorragende Buch
geschrieben haben. Danke, dass Sie bei uns waren."
23.01.2005
Torsten Reichelt
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