Faschismus ist Kapitalismus
1. Faschismus, das Werk eines Wahnsinnigen?
2. Die Überproduktionskrisen des Kapitalismus
2.1. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt
2.2. Die Pufferfunktion des kapitalistischen Staates
2.3. Verschärfung der Probleme
3. Der offene Terror
4. Es kommt noch schlimmer
5. Die neue Qualität des Zweiten Weltkrieges
6. Unsere Zukunft: Faschismus und Krieg
1. Faschismus, das Werk eines Wahnsinnigen? [zum Inhaltsverzeichnis]
Schon seit Längerem vergeht keine Woche, ja kaum ein Tag, ohne Dokumentationen
über das "Dritte Reich" und seine Führer, insbesondere DEN "Führer" Adolf
Hitler. In ihnen wird das faschistische Deutschland von 1933-1945 so
dargestellt, als sei dies ein "Ausrutscher" der Geschichte gewesen,
herbeigeführt von einem "Wahnsinnigen" und seiner Gefolgschaft. Peinlich
vermieden wird, auf die gesellschaftlichen Umstände der Entstehung des
Faschismus hinzuweisen.
Nur am Rande wird erwähnt, daß er nicht nur ein deutsches Phänomen war, sondern
ebenso in Spanien, Italien und Japan und nachfolgend in den von Deutschland und
seinen Verbündeten "angeschlossenen" und kriegerisch okkupierten Ländern. Nicht
nur die Invasoren errichteten ihn, sondern mit ihnen die entfesselten dortigen
Faschisten. Der Faschismus wurde zur fast gesamteuropäischen und in geringerem
Umfang weltweiten Herrschaftsform.
Das soll das Werk EINES Wahnsinnigen gewesen sein, ein unwiederholbarer Fehler,
wie uns die Medien weismachen wollen?
Nein. Der Faschismus entwickelte sich aus bestimmten und bestimmbaren
gesellschaftlichen Bedingungen - und wer die analysiert, kann erkennen, daß
sich dieser "Fehler" nicht nur wiederholen KANN, sondern MUSS und WIRD. Nur die
durch (Ver-) Bildung und Medien vermittelte mehrheitliche Verblödung
verhindert, das zu erkennen. Sie vermittelt das von den Eigentümern der Medien
erwünschte Bild, daß Kapitalismus und sie, die Bourgeois, so gaaaaar nichts mit
der Entstehung des Faschismus zu tun hätten.
Nun, sowenig man einen Schlachthofbesitzer und die Mitarbeiter seiner
Werbeabteilung nach den gesundheitlichen Risiken seiner Produkte fragen sollte,
darf man Kapitalisten und die Mitarbeiter ihrer Medien nach Faschismus fragen.
Ich gebe zu, daß Kommunisten gegenüber dem Kapitalismus und Faschismus
parteiisch sind, denn wir sind bekannter- und erklärtermaßen die Partei, welche
die Klasse der ausgebeuteten Lohnarbeiter, das Proletariat, im Klassenkampf
gegen die Bourgeoisie anführt. Deshalb darf und muß an den folgenden Nachweis,
daß Kapitalismus IMMER Faschismus hervorbringt, mit allen erdenklichen
Vorurteilen herangegangen werden, denn ich BIN parteiisch, intolerant, radikal
und fundamental (wenn auch manchmal nicht konsequent genug) und könnte so einen
logischen Fehler trotz aller Sorgfalt übersehen.
Also: Wie entsteht Faschismus?
2. Die Überproduktionskrisen des Kapitalismus [zum Inhaltsverzeichnis]
Der Kapitalismus beruht auf Konkurrenz. Konkurrenz derer, denen die
Produktionsmittel (Fabriken, Banken, Versicherungen, Kaufhäuser,
Mietimmobilien, Boden...) gehören (kurz: Kapitalisten, Klasse: Bourgeoisie).
Aber auch Konkurrenz zwischen Lohnarbeitern, welche nach dem Radfahrerprinzip
vorgehen: nach oben buckeln und nach unten treten (Klasse: Proletariat).
Das Ziel beider Klassen ist ein möglichst hohes Einkommen: bei Bourgeois der
Profit, bei Proletariern der Lohn.
Der Bourgeois ist also daran interessiert, möglichst viel Profit, das heißt,
möglichst viel Gewinn bei möglichst wenig Aufwand, zu machen. Der Proletarier
ist dagegen bestrebt, von diesem Aufwand (den Lohnkosten) eine möglichst große
Menge (nicht Anteil, denn der verteilt sich ja auf alle Proletarier, mit denen
er in Konkurrenz steht) abzubekommen.
2.1. Der wissenschaftlich-technische Fortschritt [zum Inhaltsverzeichnis]
Der wissenschaftlich-technische Fortschritt führt dazu, daß mit immer weniger
menschlichem Arbeitsaufwand immer mehr produziert wird. Gleichzeitig steigt für
den Bourgeois der Aufwand für technische Ausrüstung (Maschinen,
Produktionsstätten) gegenüber menschlichem Aufwand (Lohnarbeiter). Er muß immer
mehr Kapital für nichtmenschliche Produktionsmittel (Maschinen,
Produktionsstätten = konstantes Kapital) aufwenden und kann den Aufwand für
Lohnarbeiter (variables Kapital) immer weiter senken. Die Hauptproduktivkraft
Mensch (Lohnarbeiter) tritt zunehmend in den Hintergrund. Das hat Entlassungen
zur Folge.
Zunächst finden die entlassenen Proletarier in neu entstehenden
Produktionszweigen Arbeit (in jüngster Vergangenheit: neue Technologien,
Kommunikationsunternehmen). Aber auch die unterliegen wieder den Gesetzen des
kapitalistischen Marktes. Auch hier hat der wissenschaftlich-technische
Fortschritt die beschriebenen Folgen: immer mehr Proletarier werden letztlich
vom Produktionsprozeß ausgeschlossen.
2.2. Die Pufferfunktion des kapitalistischen Staates [zum Inhaltsverzeichnis]
Nun könnte man schlußfolgern: die Arbeitslosen erarbeiten nichts, erhalten also
auch keinen Lohn. Das bedeutet sozialen Abstieg, Verelendung und folglich
Unzufriedenheit. Unzufriedenheit, welche zur Suche nach Ursache und Lösung
führt. Unzufriedenheit, welche letztlich zu Aufruhr und Gefährdung des gesamten
Gesellschaftssystems führt - wie die Arbeiterbewegung im 19. und 20.
Jahrhundert eindrücklich zeigte. Zunehmend zielgerichtet und organisiert zwang
sie die Bourgeoisie angesichts der Gefahr derer Vernichtung zu Zugeständnissen.
Da Zwangsmaßnahmen mittels der Gewaltinstrumente des Staates offensichtlich
nicht mehr genügten (die Pariser Kommune war der Bourgeoisie eine eindrückliche
Warnung), folgte in Deutschland unter Otto von Bismarck eine bis heute übliche
Doppelstrategie: Zugeständnisse in Form von Sozialgesetzen und Konzentration
der Gewaltmaßnahmen auf die Führung der Arbeiterbewegung. Damals war das die
Einführung der Arbeitslosen-, Kranken- und Rentenversicherung in Verbindung mit
dem Sozialistengesetz, in der BRD erfolgten jahrzehntelang Zugeständnisse in
gewerkschaftlichen Tarif"kämpfen", verbunden mit KPD-, FDJ- und Berufsverboten.
Der kapitalistische Staat pufferte die geschilderten gesetzmäßigen Folgen der
kapitalistischen Produktionsverhältnisse. Die Bourgeoisie zog die
Profitschmälerung durch Sozialleistungen der Gefährdung ihrer Existenz
(natürlich) vor.
2.3. Verschärfung der Probleme [zum Inhaltsverzeichnis]
Nur: die beschriebenen Gesetzmäßigkeiten wirken weiter. Die Profitrate sinkt
(da nur menschliche Arbeit Profit abwirft), der Anteil konstanten Kapitals und
die dafür nötigen Aufwendungen steigen. Das schränkt auch die Möglichkeiten für
soziale Leistungen (nicht nur) an das immer größer werdende Arbeitslosenheer
zunehmend ein. In den 20er / 30er Jahren nannte man die notwendigen Maßnahmen
sozialen Kahlschlags Notverordnungen, heute heißen sie "Reformen". Die
Wirkungen sind gleich: Der materielle Lebensstandard immer größerer
Bevölkerungskreise sinkt spürbar, gleichzeitig beschleunigt deren Wegfall als
Konsumenten die Entwicklung der Überproduktionskrise (jüngstes Beispiel der
Auswirkungen: Karstadt/Quelle).
Die Folgen kann man sich nicht nur an einer Hand abzählen, sondern gegenwärtig
auch an Montagsdemos, Bestrebungen zur Gründung einer neuen Linkspartei und dem
Zusammenschluß verschiedener Kräfte zu Aktionsbündnissen ablesen: Die
Unzufriedenheit wächst, die Unzufriedenen protestieren und organisieren sich.
3. Der offene Terror [zum Inhaltsverzeichnis]
Bei der Entwicklung des Protests kann nicht ausbleiben, daß die Ursachen der
Krise erkannt werden. Dafür sorgen schon wir Kommunisten, aber auch jeder nicht
völlig verblödete Proletarier wird irgendwann das Lügennetz der bürgerlichen
Propaganda durchschauen. Und ist erst einmal die Ursache, der Kapitalismus,
erkannt, ist es bis zur Lösung nicht weit: der Beseitigung der Ursache, die
Beseitigung des Kapitalismus durch Beseitigung seiner Grundlage: durch
Enteignung der bourgeoisen Schmarotzer (was eine Tautologie ist).
Dabei gibt es Probleme: Den Schmarotzern gefällt das nicht. Gleichzeitig hat
der bürgerlich-scheindemokratische Parlamentarismus ausgedient (dessen
Unglaubwürdigkeit zeigt sich an der geringen Wahlbeteiligung TROTZ
Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsschichten mit der Regierungspolitik).
Die Bourgeois haben die materiellen, finanziellen und personellen Mittel, sie
haben die Medien und sie haben ihre Lakaien im bürgerlichen Staat und damit die
Verfügung über seine Gewaltinstrumente (Militär, Polizei, Geheimdienst), um
ihre Macht zu schützen. All diese Mittel nutzen sie zum Übergang in die offen
terroristische, faschistische Gewaltherrschaft. Die Anzeichen dieses Übergangs
in der BRD habe ich bereits in einem anderen Aufsatz behandelt (siehe Aufsatz
"Nie wieder Faschismus ?" im Heft "Arbeit").
Seit diesem Aufsatz sind weitere Anzeichen des Übergangs sichtbar geworden: Die
Wahlerfolge nationalistischer Parteien bei den Landtagswahlen, z.B. in Sachsen.
Von Politikern und bürgerlichen Medien (zur Erinnerung: Lakaien der
Bourgeoisie) als "Protestwahl" verharmlost, sind sie deutlicher Ausdruck des
Erfolges eines ganz und gar nicht neuen Tricks: Damit der deutsche Arbeiter die
wahren Schmarotzer, die Bourgeoisie, nicht erkennt, wird ihm eine Gemeinschaft
mit diesen Schmarotzern (deutsche Nation) vorgegaukelt. Als Feindbild dienen
Arbeiter "anderer Nationen", (z.B. Türken, Polen...) oder auch Religionen
(Muslime), welche von deren Schmarotzern in gleicher Weise verhetzt werden.
Fast überflüssig zu erwähnen ist, daß das NPD-Verbot an angeblichen "Pannen"
gescheitert ist, weil die Spitze der Nazis zu erheblichen Teilen aus vom Staat
bezahlten Staatsdienern besteht (diese Perversion des bürgerlichen "Rechts" muß
man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen). Die Wahlwerbung der Nazis
zeigte deutlich, daß das keine Initiativen verarmter Arbeitsloser sind, sondern
Sponsoren der herrschenden Klasse, der Bourgeoisie, dahinterstehen. Und auch
auf den Montagsdemos wurde die Verbindung von Kapital, Staat und Nazis
deutlich: Die Einsatzkräfte der Polizei in Prügelausrüstung standen mit den
Nazis in einer Blickrichtung und Front: Gegen die Antifa, welche - Hut ab vor
dieser Leistung - bisher durch Menschenketten die Teilnahme der Nazis am
Demonstrationszug verhinderte.
4. Es kommt noch schlimmer [zum Inhaltsverzeichnis]
Den, der glaubt, die faschistische Herrschaft sei das Ende und man müsse sich
ihr nur anpassen oder mitmachen, muß ich leider enttäuschen. Denn alle
genannten Maßnahmen können Eines nicht leisten: die Lösung der Krise. Billige
Zwangsarbeiter sind keine brauchbaren Konsumenten. Die faschistische Herrschaft
hält zwar soziale Unruhen unter Kontrolle, hat aber keinen Einfluß auf die
ökonomischen Gesetze des Kapitalismus. Der ist trotz seiner neuen
Herrschaftsform immer noch Kapitalismus. Durch die endgültige Beseitigung
sozialer Absicherung für unproduktive Proletarier und gewaltsame Unterdrückung
der Vertreter der Arbeiterinteressen wird zwar für die Bourgeoisie die
Produktion immer billiger, aber der Zusammenbruch des Konsums beschleunigt sich.
Dadurch wird neuer Bedarf notwendig. Wie der erzeugt wird, lehrt die
Geschichte. Nur ein Krieg oder Bürgerkrieg ermöglicht, Bedarf im Rüstungssektor
zu erzeugen, denn nur verbrauchte Rüstungsgüter werfen Profit ab. Nicht umsonst
soll die ständige Aufrüstung in der EU-Verfassung festgeschrieben werden. Nicht
umsonst führen alle großen imperialistischen Staaten Krieg: gegen
Ex-Jugoslawien, Afghanistan, Irak.
Beendet das die Krise? Ganz offensichtlich nicht. Die Idee, durch
Rüstungsproduktion und -konsumption die "Wirtschaft zu beleben" würde einen
permanent erweiterten Krieg erfordern. Bei allen Opfern bringt das keine Lösung
der Probleme, denn auch die Rüstungsproduktion unterliegt den kapitalistischen
Marktgesetzen. Man sieht das deutlich an "High-Tech"-Kriegern und -Waffen: auch
hier ist immer weniger Personal bei immer mehr technischem Aufwand nötig. Aber
nur der Soldat ist auch außerhalb des militärischen Sektors Konsument - seine
Waffen sind konstantes Kapital.
Das gestattet nur eine Lösung: Der Krieg muß massiv zivile Werte zerstören, um
Profit aus deren Wiederaufbau zu ermöglichen. Deshalb darf sich die Zerstörung
nicht nur auf unterentwickelte Gebiete (Kosovo, Afghanistan, Irak) beschränken,
sondern muß in den entwickelten Industrieländern stattfinden. Eine
Verschwörungstheorie? Ein Horrorszenario der Kommunisten? Mitnichten.
5. Die neue Qualität des Zweiten Weltkrieges [zum Inhaltsverzeichnis]
Genau das Beschriebene fand bereits statt. Der Erste Weltkrieg beschränkte sich
wie die Kriege vorher noch überwiegend auf die Zerstörung militärischer Ziele.
Er "löste" die Krise des Kapitalismus nur kurzfristig. Fast unmittelbar folgte
diesem Krieg schon in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine große
Weltwirtschaftskrise. Rezession und Massenarbeitslosigkeit erreichten Ende der
20er / Anfang der 30er Jahre ihren Höhepunkt.
Der Zweite Weltkrieg wurde von allen Seiten wesentlich anders geführt: Es war
ein Vernichtungskrieg gegen Zivilbevölkerung und zivile Werte. Nicht nur die
deutschen Faschisten ließen zivile Einrichtungen in Schutt und Asche legen
(Warschau, Rotterdam, Coventry), auch die westlichen Alliierten zerstörten
Städte ohne militärische Bedeutung. Als Dresdner fällt mir da zunächst Dresden
ein, aber auch französische Städte wurden nach der Landung in der Normandie von
Briten und Amerikanern zerstört, obwohl die deutschen Streitkräfte sie längst
geräumt hatten.
Den "Erfolg" dieser beiderseitigen Maßnahmen kennen wir inzwischen aus der
Geschichte. Profit, Profit und nochmals Profit. "Wirtschaftswunder",
Notwendigkeit des Imports ausländischer Proletarier (Türken u.a.). Fast 60
Jahre bestand keine Notwendigkeit eines Krieges zwischen den entwickelten
Industrieländern - kein "Wunder", sondern Folge des Zweiten Weltkriegs mit
seinen massiven zivilen Zerstörungen an Werten und Leben.
6. Unsere Zukunft: Faschismus und Krieg [zum Inhaltsverzeichnis]
Die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsverhältnisse wirken auch
heute weiter. Der "Krieg gegen den Terrorismus" ist erklärt und wird geführt.
Zur Bewältigung der Krise ist aber auch die Zerstörung von gegenständlichen
zivilen Werten in der "zivilisierten westlichen Welt" unabdingbar. Proletarier
werden gegen andere (vor Allem ausländische) Proletarier aufgehetzt. Krieg oder
Bürgerkrieg - den Bourgeois ist das egal. Die Bourgeoisie schreckt vor KEINEM
Mittel zurück, ihre Macht zu erhalten.
Die Nazis marschieren mit Rückendeckung des Staates und werden schon wieder
massenhaft von Proletariern gewählt.
Schon einmal wurde nicht auf uns Kommunisten gehört, als die KPD warnte: „Wer
Hindenburg wählt, wählt Hitler. Wer Hitler wählt, wählt den Krieg." Heute
warnen wir wieder und werden auch diesmal Recht behalten. Wir wissen, was
geschehen wird, weil wir wissen, warum es aufgrund der ökonomischen
Gesetzmäßigkeiten des Kapitalismus geschehen muß.
Wer den Kapitalismus will, bekommt auch den Imperialismus, Faschismus und
Krieg. Wir können das nur immer wieder erklären und begründen, aber verstehen
müssen es die Proletarier und vielleicht ein paar fortschrittliche Bourgeois
schon selbst. Aber selbst wer es nicht versteht, kann sich nicht herausreden,
er hätte das Alles nicht gewußt, denn wir haben es ihm gesagt und er WOLLTE nur
aufgrund des eigenen Egoismus und / oder seiner Denkfaulheit nicht verstehen.
Herbst 2004
Torsten Reichelt
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