Verbrechen zeugen Verbrechen
Oh wie furchtbar: US-Soldaten ermorden gezielt Zivilisten und foltern Menschen!
Die Vorhut der freiheitlich-demokratischen Ordnung als Verbrecher? Ja. Ihr
Handeln ist verbrecherisch, weil sie als Schergen verbrecherischer Auftraggeber
einen verbrecherischen und völkerrechtswidrigen Krieg führen. Das fortwährende
gemeinsame Verbrechen läßt die Schwelle zum persönlichen Verbrechen gegen Null
sinken, auch wenn es die je gegeben haben sollte.
Als weltweit Bilder über Folterungen arabischer Häftlinge im Militärgefängnis
Abu Ghraib bekannt wurden, bemühte sich George Bush der Jüngere um
Klarstellung: "Was in diesem Gefängnis geschah, repräsentiert nicht das
Amerika, das ich kenne. Das Amerika, das ich kenne, ist ein mitfühlendes Land,
das die Freiheit liebt. Das Amerika, das ich kenne, kümmert sich um jeden
Einzelnen." Lauthals tönte es von Einzelfällen und persönlichen
Verfehlungen, umso lauter, je mehr Beweise des Gegenteils auftauchten: daß
nämlich die Folterungen nicht unbekannt oder geduldet, sondern angeordnet waren.
Es mögen auch persönliche Verfehlungen vorgekommen sein - manche Menschen
bringt eben die Erfahrung auf den Geschmack, Andere erhielten wohl die
Möglichkeit, ihre längst vorhandenen Phantasien endlich einmal auszuleben. Kein
Punkt ist vom anderen zu trennen, sondern sie sind alle Ausdruck desselben
Hintergrunds: einer verbrecherischen Gesellschaftsordnung, die unausweichlich
gemeinschaftliche und persönliche Verbrechen gebiert.
Das grundlegende Verbrechen des Kapitalismus ist die Ausbeutung des Menschen
durch den Menschen - genauer gesagt des Proletariats durch die Bourgeoisie.
Dieses wirtschaftliche Verbrechen bringt unausweichlich physische und
psychische Verbrechen mit sich, da nur durch körperliche Gewalt und
Einschüchterung die ausgebeutete Mehrheit von der fortgesetzten Ausbeutung
durch die Minderheit "überzeugt" werden kann. Somit wird das Verbrechen zur
alltäglichen Erfahrung, aktiv wie passiv. Je weiter der Kapitalismus in seine
imperialistische Phase übergeht und in die allgemeine Krise gerät, zu umso
größeren Verbrechen führt er. Deren maximale Ausprägung wird in der
faschistischen Herrschaftsform erreicht, bei der im gesellschaftlichen wie
persönlichen Maßstab die letzten Schranken fallen.
Gesellschaftsbedingte Verbrechen sind nicht auf einen bestimmten Bereich oder
eine bestimmte Ausprägung beschränkt, sondern beginnen beim Mobbing und enden
bei Weltkriegen. Irgendwo dazwischen sind die Folterungen und Morde an
Zivilisten durch US-amerikanische und britische Militär- und
Geheimdienstangehörige einzuordnen. Sie sind Produkt der Gesellschaftsordnung
und stabilisieren sie gleichzeitig.
Das übergeordnete Verbrechen ist der Irakkrieg, der noch nicht einmal durch das
bürgerliche Völkerrecht gedeckt ist. Ganz abgesehen davon, daß jeder
Angriffskrieg ein Verbrechen und sogar im Grundgesetz der BRD verboten ist
(dessen Wert man anhand der Bundeswehreinsätze in Ex-Jugoslawien und
Afghanistan selbst beurteilen mag).
Wie nennt man aber einen, der ein Verbrechen, auch in einer Gruppe, begeht?
Natürlich Verbrecher. Das Einzige, was mich wundert, ist die Verwunderung über
Verbrechen, die von Verbrechern begangen werden. Aber das könnte mir Herr Bush
sicher auch erklären: wie man zwischen guten und bösen Verbrechen und guten und
bösen Verbrechern unterscheidet und daß man böse Verbrechen guter Verbrecher
nicht verallgemeinern kann.
Solange wir das grundlegende Verbrechen Kapitalismus (und überhaupt
Klassengesellschaft) dulden, ist es unnötig, sich über daraus resultierende
Verbrechen zu erregen oder auch nur zu wundern. Und sosehr ich das als
Bilddokument öffentlich verbreitete Köpfen eines US-Geschäftsmannes im Irak
verabscheue, habe ich dafür doch nur ein Schulterzucken übrig: das ist Ausdruck
der morallosen verbrecherischen globalen Gesellschaftsordnung. Verbrechen
gebiert Verbrechen, und der verbrecherische Angreifer hat kein Recht,
Verbrechen des Angegriffenen zu verurteilen. Im Gegenteil: auch diese fallen
auf ihn zurück, im doppelten Sinn: als Verursacher (moralisch) und Geschädigter
(physisch).
Als Kommunist sage ich: So wirken objektive Gesetzmäßigkeiten: Schaden wirkt
immer verstärkt auf den Verursacher zurück. Als Christ sage ich: Das ist die
Gerechtigkeit Gottes: vielfache Vergeltung im Guten wie im Bösen.
So kann ich allen Imperialisten, deren Lakaien wie auch "Normalbürgern" und
Kommunisten einen Wunsch mit auf den Weg geben: Vergelt's Gott!
12.05.2004
Torsten ReicheltZur Hauptseite Zur Textübersicht