Streikforderungen


Um in Streiks erfolgreich zu sein, ist zunächst ein ausreichend großer Druck erforderlich. Dieser muß die Profitinteressen der Bourgeoisie nicht nur gefährden, sondern den Profit in einem Ausmaß schmälern, daß die Annahme der Forderungen für die Bourgeoisie und ihre Lakaien die ökonomisch bessere Lösung ist.

Deshalb muß der Streik massiv profitable Zweige und Unternehmen treffen. Der Streik von Lohnarbeitern in unrentabl(er)en Unternehmen, die ohnehin vor der Entlassung oder Lohnkürzung stehen, ist unnütz.

Ein Beispiel war der erfolglose IG-Metall-Streik 2003, welcher vorwiegend in Ostdeutschland stattfand. Dadurch, daß er von den korrumpierten westdeutschen Gewerkschaftsspitzen sabotiert wurde, war der ökonomische Druck auf die Bourgeoisie zu gering. Die Fortsetzung der antisozialen Politik mittels ihrer Lakaien versprach mehr Profit als die Erfüllung der Forderungen.

Daraus ergibt sich eine weitere Anforderung an den Streik: Die Forderungen müssen erfüllbar und dürfen nicht verhandelbar sein. Das liegt in der Verantwortung der Organisatoren. Wer überzogene Forderungen stellt, ist entweder ein Idiot - oder ein Verräter. Hier ist nochmals ein Verweis auf die Gewerkschaftsspitzen angebracht.

Der größte denkbare Druck kann durch einen Generalstreik erzeugt werden. Nur er ermöglicht die Durchsetzung gesamtgesellschaftlicher sozialer Forderungen, indem er nicht nur den Profit auf Null bringt, sondern auch die Lebensqualität der Bourgeoisie und ihrer Lakaien massiv beeinträchtigt - wenn auch Haushälterin und Chauffeur nicht arbeiten, Museen nicht öffnen, Theater geschlossen bleiben und das Hummerfressen mangels Koch ausfällt. Wer hält wohl länger durch? Der Parasit ohne Wirt oder der Wirt ohne Parasit?

Dabei können erste Forderungen ruhig geringfügig sein. Der Erfolg wird im Proletariat Mut und Willen zu weitergehenden wecken und die Bourgeoisie vom Übergang zu offener Gewaltherrschaft (Faschismus) abhalten. Z.B. die Rückkehr zu bereits Errungenem wie die Rückgängigmachung der letzten Gesundheits"reform".

Eine nächste wäre die Aufhebung des Zwangs zu nicht existenzsichernder Arbeit, Arbeit unterhalb der Qualifikation bei bundesweiter Verfügbarkeit - kurz: Abschaffung von ohnehin im Grundgesetz verbotener Zwangsarbeit.

Das im Kapitalismus in seiner imperialistischen Phase und allgemeinen Krise Umsetzbare kann ich nicht abschätzen. Aber der erste Schritt ist klar: Organisation des ersten Generalstreiks in der BRD.

Dabei darf das Ziel nie vergessen werden: die soziale Revolution. Die Erfolge bringen einerseits die Bourgeoisie an einen Punkt, an dem sie angesichts der sich verschärfenden Krise (es ist immer noch Kapitalismus in seiner imperialistischen Endphase) keine weiteren Zugeständnisse mehr machen kann noch will. Sie wird versuchen, zur offen terroristischen Herrschaft überzugehen. Gleichzeitig ist aber das Klassenbewußtsein, die Kampferfahrung und die Organisation des Proletariats dann so entwickelt, daß dies unmöglich ist und dieser Versuch nicht zur Gewaltherrschaft führt, sondern zum Auslöser der sozialen Revolution wird.

Hier besteht aber auch das größte Problem. Die sozialen Errungenschaften werden einerseits im Proletariat die Tendenz zur Zufriedenheit mit dem Errungenen erzeugen und damit den Willen zur Fortsetzung des Klassenkampfes schwächen. Andererseits werden genau diese Errungenschaften zwar einen Teil der Bourgeoisie proletarisieren, aber der diese Kämpfe überstehende Teil der Bourgeoisie wird auch der reaktionärste, aggressivste und damit gefährlichste Teil sein, der immer noch den Staat und dessen Gewaltinstrumente (Militär, Polizei und Geheimdienste) beherrscht. Der letzte Bourgeois wird nicht ein bedauernswertes schwaches Exemplar einer aussterbenden Art sein, sondern das reaktionärste, aggressivste und gefährlichste, welches alle vorherigen Kämpfe überstanden hat und damit im Klassenkampf ebenso erfahren ist wie das Proletariat.

Einen Vorgeschmack dieser zunehmenden Gefährlichkeit gab schon Bismarck ausgangs des 19. Jahrhunderts. Auch damals hatte das Proletariat erfolgreich Forderungen durchgesetzt. Bismarck setzte dem eine Dreifachstrategie entgegen (Besänftigung, Ausschaltung, Korruption): Eine über die Forderungen hinausgehende Sozialpolitik (Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung), um das organisierte Proletariat zu besänftigen. Gleichzeitig wurde dessen Führung durch das Sozialistengesetz außer Gefecht gesetzt und nachfolgend korrumpiert. Der Erfolg dieser Strategie zeigt sich im Handeln der "Sozialdemokraten", von Noske über Brüning bis hin zu Schröder.

Bei allen künftigen (z.B. Streik-)Aktionen müssen wir dem Proletariat verständlich machen, daß alle Aktionen des proletarischen Klassenkampfes im Kapitalismus nur Übungen sind und alle Erfolge nur Bestätigungen der richtigen Strategie und Taktik - solange die ökonomischen Verhältnisse unangetastet bleiben. Erst die soziale Revolution ist die Feuertaufe: die Errichtung des Sozialismus, die Schaffung gesellschaftlichen Eigentums an gesellschaftlichen Produktionsmitteln durch Enteignung der Bourgeoisie. Erst das ist ein wirklicher Erfolg auf dem Weg zum Kommunismus.

Streik! Boykott! Revolution!

09.05.2004

Torsten Reichelt
Zur Hauptseite   Zur Textübersicht
Das Umdenken