Gedanken

nach der Feierstunde der Landeshauptstadt Dresden zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar 2014 in der Gedenkstätte Münchner Platz Dresden



die bronzene Gruppenplastik von Arndt Wittig im ehemaligen Richthof. des Landgerichtes.

Heute im nächtlichen Scheinwerferlicht und unter schmutzigem Schnee war sie wirklich kaum zu erkennen. Deshalb präsentiere ich lieber dieses Foto.


Genau in diesem Hof fiel das Fallbeil der Guillotine von 1933 bis 1945 mehr als 1300 mal und trennte die Köpfe von den Leibern von Menschen, die aus vielfältigen Motiven nicht in das Weltbild der Faschisten passten, vor allem wenn sie sich gegen Diktatur, Krieg und Terror zur Wehr setzten. Kulturstadtrat Dr. Lunau stellte Fragen, die er leider nur sehr allgemein beantwortete bzw. Antworten offen ließ.

Schade. Wir haben von ihm schon bessere Gedenkreden gehört.


Politisch ein Affront war für mich die Erklärung der Prorektorin für Bildung und Internationales, Frau Prof. Dr. rer. pol Susanne Strahringer, die das Gedenken an die Opfer des faschistischen Terrors in einem Atemzuge mit der Vollstreckung der Todesurteile an diesem Ort von 1945 bis 1957 vollzog; so wie sich schon die Dauerausstellung der Gedenkstätte unter dem Titel „Verurteilt, Inhaftiert. Hingerichtet. Politische Justiz in Dresden 1933-1945 // 1945 – 1957“ seit 2012 geriert.


Frau Professor hätte sich schlau machen können, dass sie mit der pauschalen Benennung de facto rehabilitiert:


Herrmann Paul Nitsche, Todesurteil vollstreckt am 25. März 1948 wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit bei den systematischen Euthanasiemorden) ,


Hans Meinshausen, Todesurteil vollstreckt am 19. Oktober 1948 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begangen 1945 in Görlitz.,


Erna Dorn, Todesurteil am 1. Oktober 1953 vollstreckt. Am 21. Mai 1953 wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im KZ Ravensbrück zu 15 Jahren Freiheitsentzug verurteilt, am 17. Juni 1953 aus der Haft in Halle zeitweilig befreit, beteiligt an den Ausschreitungen in den Abendstunden des 17. Juni auf dem Hallmarkt in Halle, am 18. Juni erneut inhaftiert, am 22. Juni 1953 zum Tode verurteilt.


aber auch Hermann Felfe, als „Pfleger“ Mitbeteiligter an den Euthanasieverbrechen in Pirna-Sonnenstein,


den zum Tode verurteilten Terroristen der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ KgU,

Johann Burianek.


elf Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit wegen Spionage für ausländische Geheimdienste (nach einer Liste des BRD-Publizisten Karl-Wilhelm Fricke; Kariere beim Deutschlandfunk als Ostspezialist).


Hinter mir hatten in ihren roten Jacken die Sänger des Sächsischen Bergsteigerchores „Kurt Schlosser“ während der Feierstunde Aufstellung genommen.

Meine Frage: seid ihr eingeladen worden?

Antwort: nein. Aber wir sind da.

Sie wurden in der Begrüßung und den Wortbeiträgen nicht erwähnt.


Ist es gestattet, laut zu fragen, woher dieses Ignorieren? Der Chor ist Träger sächsischer Geschichte und des antifaschistischen Widerstandes! Er hatte 1933 171 aktive Sänger und gab sein letztes legales Konzert am 4. März 1933 in der „Goldenen Krone“ Kleinzschachwitz.

Ich muss hier nicht die Einzelheiten ihrer aktiven. organisierten illegalen Arbeit gegen den faschistischen Terror (Grenzarbeit, illegale Druckerei am Satanskopf, illegale Zusammenarbeit mit tschechoslowakischen Antifaschisten, ...) benennen. 48 Sänger in Konzentrationslagern, Zuchthäusern, Gefängnissen, Elf bezahlten mit dem Leben; unter ihnen der Chorvorsitzende Kurt Schlosser, hingerichtet am 16. August 1944 im Richthof Münchner Platz!.


So frage ich: ist es Achtung vor dem Mut und dem Schicksal dieser Menschen, die ihr Leben für die Freiheit und eine gesicherte bessere Zukunft ohne Raubkriege riskierten, wenn ihnen nicht wenigstens die gebührende Höflichkeit entgegengebracht wird? Ich hätte mir ein Chorlied für die toten antifaschistischen Kämpfer vorstellen können. Ihr, liebe Leser, etwa nicht?


Die Landeshauptstadt Dresden hat November 2013 der Öffentlichkeit unter dem Titel „Erinnerung vielfältig gestalten“ Grundlagen für ein städtisches Gedenkkonzept vorgestellt.

Unter Punkt zwei heißt es, ich zitiere:


„Deutungsvielfalt: Die Vielfalt von Geschichte und ihrer Deutung wird in den Mittelpunkt des Gedenkkonzeptes gestellt. Unterschiedliche Deutungen werden als Chance verstanden. Sie öffnen den Blick für andere Sichtweisen und tragen dazu bei, diese zu respektieren. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die historische Forschung bilden den Rahmen dafür.“


Soll die „Deutungsvielfalt“ Geschichtsverzerrung und Ignoranz rechtfertigen?

Mit den Verbrechen des Faschismus bin ich nicht zu versöhnen. Ich müsste mich vor meinem Vater schämen, der für seinen aktiven Kampf gegen die faschistischen Verbrechen selbst im Zuchthaus Bautzen und in der Strafdivision 999 büßte und nur durch Flucht der angeordneten Erschießung entkam.


Ehre dem antifaschistischen Widerstand! Da kann es keine „Deutungsfreiheit“ geben.

Wir sehen uns am 27. Januar 2015 wieder; hoffentlich mit mehr Achtung vor der historischen Wahrheit und Ehre, wem Ehre gebührt.


G. H.