Menschliche Feinde
Manche machen den Fehler, ihre Feinde zu vermenschlichen.
Wie oft höre ich von gutmenschlichen Moralaposteln, wenn ich von Klassenfeinden
rede, solchen Unsinn wie „Wir sind doch alle Menschen!" Das stimmt zwar, hat
aber mit dem Problem Feindschaft nur insofern zu tun, weil gerade dieses
Menschsein und die unterschiedliche Stellung in der menschlichen Gesellschaft
zu objektiven Feindschaften führt. Grundlage dieser Feindschaften sind
unvereinbar gegensätzliche Interessen, welche nur durch schädliche Handlungen
gegenüber dem Anderen durchgesetzt werden können. Und das ist unabhängig davon,
ob allen Beteiligten diese unvereinbar gegensätzlichen Interessen bewußt sind
So bestehen objektive Feindschaften zwischen Dieb und Bestohlenem, Mörder und
Opfer, Vergewaltiger und Vergewaltigungsopfer, Kapitalist und Lohnarbeiter. Der
eine KANN seine Interessen nur zum Schaden des Anderen durchsetzen.
Während Jemand aber Dieb, Mörder oder Vergewaltiger oder zugehöriges Opfer sein
KANN, aber nicht MUSS, ist die Zugehörigkeit zur Klasse der Ausbeuter und
Unterdrücker (Kapitalistenklasse, Bourgeoisie) oder Ausgebeuteten und
Unterdrückten (Arbeiterklasse, Proletariat) innerhalb der kapitalistischen
Gesellschaft für die Mehrheit unvermeidlich. Sie stehen sich dadurch ebenso
unvermeidlich und unveränderlich feindlich gegenüber.
Einen Kapitalisten als Menschen zu betrachten, geht völlig an seiner Stellung
in der Gesellschaft vorbei. Ebenso ist von ihm gegenüber seinen Lohnarbeitern
kein „menschliches" (was das sein soll, ist ohnehin unklar), sondern
ausschließlich feindliches Verhalten zu erwarten. Er und seine Marionetten in
Staat, Lobby, Management und Medien können nur durch ebenso bewußt feindliches
- genauer gesagt durch klassenbewußt feindliches - Verhalten zu Zugeständnissen
gezwungen werden.
Und diese Feindschaft kann nur und muß auf dem Gebiet ausgetragen werden, auf
dem der Interessenkonflikt besteht: dem Gebiet der Ökonomie und dem der daran
gebundenen Macht, gesellschaftliche Verhältnisse zu diktieren. Appelle,
Petitionen, Forderungen oder Programme sind dafür völlig ungeeignete Mittel.
Aus dem Charakter der Feindschaft ergibt sich auch, daß wenig nützt, Menschen
zu beseitigen, weil sie Kapitalisten sind, wie das z.B. anarchistische Kräfte
fordern. Um die Grundlage der Feindschaft zu beseitigen, müssen sie als
Kapitalisten beseitigt werden. Und dazu werden sie nicht durch ihre biologische
Existenz, sondern durch ihre soziale Stellung innerhalb der
Produktionsverhältnisse. Und deren Grundlage ist das Privateigentum an
gesellschaftlichen Produktionsmitteln. Um Kapitalisten von Feinden der
Bevölkerungsmehrheit zu gesellschaftlich achtbaren und nützlichen Menschen zu
machen, muß dieses Eigentum sozialisiert werden, wie das ja auch in den
Artikeln 14 und 15 des Grundgesetzes der BRD vorgesehen ist. Nur so ist eine
tatsächlich menschliche Gemeinschaft möglich, die von keiner unversöhnlichen
Feindschaft mehr geprägt ist und in der man Menschen vordergründig als Menschen
betrachten kann.
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