Gier und Angst - die Pfeiler der Macht
Seit zwei Wochen finden Montags wieder regelmäßige Massendemonstrationen statt.
Nicht ein paarhundert Leute wie letztes Jahr, auch nicht ein paarhunderttausend
an
einem bestimmten Tag wie am 03.04.. Nein, -zigtausend jeden Montag,
deutschlandweit, Tendenz
steigend. Die herrschende Klasse hat mit der Arbeitsmarkt"reform", allgemein
unter "Hartz IV" bekannt, den Bogen überspannt. Und wie das überspannten Bögen
eigen ist: sie kehren auch bei Entspannung nie wieder in die Ausgangsform
zurück.
Noch haben die Meisten kaum begriffen, daß sich etwas ändern muß, nur
verschwindend Wenige wissen, was und wie. Am vergangenen Montag hielt ich auf
der Demonstration in Dresden eine kurze Rede darüber, was sich ändern muß.
Entgegen früheren Erfahrungen erhielt ich diesmal für meinen Schlußsatz
begeisterten Beifall. Dabei waren das nur vier Wörter: "Der Kapitalismus muß
weg!"
Aber noch wissen die Meisten nicht, wie eine verschwindend kleine Minderheit
schafft, der Mehrheit das Gefühl der Ohnmacht zu vermitteln und worin die Macht
der Massen besteht. Die einfache Antwort bekommen sie in meiner nächsten Rede.
Die wird etwa so lauten:
Liebe Leute!
Warum stehen wir hier? Wegen der sozialen Einschnitte, die Hartz IV für Massen
von Menschen bedeutet. Aber warum stehen wir jetzt erst hier? Waren Hartz I-III
sozial? Waren die Gesundheitsreformen sozial? Waren das nicht auch schon
soziale Einschnitte für Viele? Natürlich, aber das waren Einschnitte für
Andere.
Warum stehen heute noch nicht Alle hier, die später von Hartz IV, Agenda 2010
und anderen Ausgeburten der Hirne unserer Herren betroffen sein werden? Weil es
aus ihrer Sicht wieder nur die ANDEREN sind, die es JETZT trifft.
Woher kommt dieses kurzsichtige, feige und selbstsüchtige Verhalten? Es sind
die Grundlagen der Macht einer Minderheit über die Massen, die uns immer wieder
so handeln lassen: Gier und Angst. Gier und Angst in Jedem von uns, Gier und
Angst derer, die noch nicht hier stehen.
Die Gier, jeden Tag mehr haben zu wollen. Gier, vor Allem mehr haben zu wollen,
als Andere. Und Angst, etwas davon zu verlieren. Angst, plötzlich weniger zu
haben, als Andere. So haben wir gelernt, zu buckeln und zu treten. Und so kommt
es, daß Unseresgleichen auch heute nach UNS treten, indem sie nicht hierstehen.
Weil IHRE Gier noch befriedigt wird und IHRE Angst noch besänftigt.
Aber auch unsere Herren kennen diese Gier und diese Angst. Auch sie wollen
immer mehr und fürchten, etwas zu verlieren. Denn dann werden sie aus den
Reihen unsrerer Herren gestoßen und finden sich bei uns wieder. Das verleiht
UNS Macht über SIE. Denn jeden Ferrari, den sie fahren, jeden Brillantring, den
sie tragen, jede Milliarde Euro, die sie unter sich verteilen, haben
Arbeiterhände geschaffen.
Deshalb haben sie Angst. Sie haben solche Angst, daß in Deutschland der
politische Streik unter Strafe steht, der politische Streik, mit dem sich
Arbeiter für die Rechte derer einsetzen können, denen die Herren keine Arbeit
mehr geben, der politische Streik, mit dem die Herren gezwungen werden,
soziale Rechte auch denen zu gewähren, die nicht streiken können. Rechte von
Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern, von Rentnern, Kindern, Auszubildenden
und Studenten.
Daß wir friedlich hier herumstehen, macht unseren Herren schon
Angst. Mit Recht! Sorgen wir dafür, daß ihre schlimmsten Ängste wahr werden,
die Ängste, daß ihr Schmarotzertum beendet wird! Organisieren wir uns, gewinnen
wir Andere, gewinnen
wir die Massen! Schlagen WIR den Herren den sozialen Frieden um die Ohren, den
SIE gebrochen haben!
11.08.2004
Torsten Reichelt
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