Im Kreuzfeuer versenkt
Na ja, zumindest beinahe. Ich meine André Brie, welcher Kraft seiner
Europarlamentsuppe meinte, den WOBA-Privatisierern in den Reihen der DIE LINKE
hilfreich beispringen zu müssen und zu können.
Wer's noch nicht weiß: schon länger tobt in der Sächsischen Landtagsfraktion
der Linkspartei / DIE LINKE ein erbitterter Kampf zwischen Kräften, welche jede
für sich beanspruchen, die wahren Linken zu sein. Zu einem der wichtigsten
Streitpunkte, aber bei Weitem nicht der einzige, wurde die Zustimmung eines
Teils der Fraktionsmitglieder zur Verhökerung der Immobilien der Dresdner
Wohnungsgesellschaft WOBA an die USamerikanische Finanzspekulantentruppe
FORTRESS. Aber das ist nur die Oberfläche. Tatsächlich zielt der Kampf darauf
ab, DIE LINKE auch in Sachsen endgültig in den (durch angebliche Absichten, den
Kapitalismus zu verbessern, getarnten) prokapitalistischen Sumpf hinabzureißen.
Aus diesem Grund wurde mal wieder eine "Initiative" gegründet. Die "Initiative
Demokratischer Sozialismus", deren Werbeverkaufsschau am 08.11.2007 im
Plenarsaal des Dresdner Rathauses stattfand. Da zu einer Werbeverkaufsschau
nunmal Reklamematerial gehört, lag auf jedem Platz ein gefalteter Handzettel
"Wer ist die IDS" mit einem großen Fragezeichen. Der Inhalt gibt nicht viel
her. Die wohl bezeichnendsten Informationen lauten:
"Wir sind offen für alle Mitglieder der Partei 'DIE LINKE' und für parteilose
Sozialistinnen und Sozialisten." (Nun ja, Kommunisten sind also schonmal
ausgeschlossen, wie auch Mitglieder anderer Parteien. Nicht, daß noch ein
fortschrittliches CDU-Mitglied die Initiative entschärft. - Anm. d. A.) und
"Wir treten für konstruktive Politik und für Gestaltungsanspruch auf
pluralistischer Basis ein." (Verschwommener geht's kaum - Anm. d. A..)
Der geladene "Prominente" - wie erwähnt Europaabgeordneter André Brie - sorgte
durch sein dreiviertelstündiges Referat dann nicht nur dafür, dem letzten auch
nur ansatzweise marxistisch Gebildeten klarzumachen, daß dessen Befürchtungen
noch wesentlich übertroffen werden können, sondern brachte auch meinem
Handzettel schon nach etwa 10 Minuten das Privileg, mit nützlichen
Informationen für meinen Nachbarn versehen zu werden:
Herr Brie (unterstützt durch Herrn Dr. Bernd Rump) erklärte uns nämlich das
"Linkssein". Er sang in der bürgerlichen Verwirrungsterminologie das Loblied
des Pluralismus sowie den Totengesang des "real existierenden Sozialismus" und
proklamierte die Anklageschrift gegen Alle, welche das anders sehen und gegen
den "verbrecherischen" und "menschenrechtsverletzenden" "Staatssozialismus".
Man dürfe sich nicht im Besitz der Wahrheit wähnen, "linke"
Wissenschaftlichkeit sei nur angeblich (dabei wurde er selbst als Verkünder
wissenschaftlich fundierter Aussagen eingeführt und berief sich später wieder
auf Marx), laberte von "Selbstzerstörungskräften des Kapitalismus" (welche wohl
menschliches Eingreifen erübrigen), vom "linken Traum von der anderen
Gesellschaft" (Marx war wohl Traumdeuter?) und der "postkapitalistischen
Gesellschaft", die zu benennen er sich scheute. Dem Sozialismus als
Gesellschaftsordnung stellte er ganz nebenbei noch den Totenschein aus, der sei
als System tot und nur noch als Bewegung zu verstehen (den Kapitalismus zu
verbessern, Anm. d. A.).
Selbstverständlich, denn das war ja eine seiner wichtigsten Aufgaben,
rechtfertigte er die Zustimmung zum WOBA-Verkauf. Das gehöre zu linker
Realpolitik, obwohl Privatisierung keine linke Politik sei und DIE LINKE und
wohl insbesondere die "Initiative Demokratischer Sozialismus" ganz
vordergründig gegen Privatisierungen sei. Oder so ähnlich. So etwas kann man in
gläubiger Andacht ob der europäischen Bedeutung des Referenten vielleicht
aufsaugen, aber sicher nicht verstehen.
Sein Codemagoge Rump, äh, Herr Dr. Rump (Auftreten und Name reizen geradezu zum
Reimen: H_d_r_ump) erzählte nichts wesentlich Anderes. Nur eine seiner Aussagen
fand ich
bemerkenswert: man dürfe nie wieder Jemandem, auch das Richtige nicht,
aufzwingen. Mir kamen dabei die Überlegungen, ob es dann seiner MEINUNG nach
wohl falsch war, den Deutschen die vorübergehende Befreiung vom Faschismus
aufzuzwingen und wie es möglich ist, gegen den Willen von 2/3 der
Bundesinsassen von ihren Steuergeldern Aggressionskriege zu führen.
Nun, irgendwann hatten wir das alles überstanden und die Diskussion wurde
eröffnet. Wie sowas bei Demagogen läuft, wissen die Meisten: Jemand stellt eine
Frage zu Aussagen des Referenten, dann behauptet der Referent entweder, das gar
nicht gesagt oder wenigstens nicht so gemeint oder genau das Gegenteil gesagt
zu haben oder redet ganz am Thema vorbei. Und André Brie beherrschte all diese
Tricks, nur nicht besonders überzeugend.
Aus dem Publikum kamen Kritiken an so ziemlich allen Punkten zwar ganz gut
gedrechselter, aber offenbar recht erfolgloser Lügen und Verwirrungsversuche.
Die Parteiaustritte und verheerenden Stimmverluste durch Unglaubwürdigkeit
(insbesondere durch die Unterstützung der WOBA-Privatisierung) in Dresden und
Sachsen kamen ebenso zur Sprache wie die Absagen an jede Form marxistischer
Prinzipien. Und mehrfach drückten die Diskussionsteilnehmer aus, aus dem
Referat nicht entnehmen zu können, was denn nun "links" und "linke Politik"
seien.
Worauf Herr Brie nicht nur laut wurde (sein persönliches Mikrophon war ihm
dabei sehr behilflich), sondern als letzte Ausflucht sogar betonte, sich
insbesondere auf Marx zu stützen. Leider ist schwer wiederzugeben, wie dabei
Herrn Bries Mundwinkel zunehmend Opfer der Schwerkraft wurden und der anfangs
recht selbstzufriedene Gesichtsausdruck in eine Mischung von Hilflosigkeit und
Wut umschlug.
Auch der Schlußpunkt war gut. Ein Genosse stellte die Frage, ob denn nun noch
Klassen existieren. Die Antwort gab diesmal Herr Dr. Rump. Natürlich
existierten Klassen, aber die seien in verschiedenen Ländern unterschiedlich
und die müsse man für Länder und Regionen spezifisch untersuchen. Benannt wurde
keine. Nun, dann kann man wohl auf die Klassenanalyse der "Initiative
Demokratischer Sozialismus" gespannt sein. Und vermutlich bis zum
Sankt-Nimmerleins-Tag darauf warten.
Natürlich hat die Teilnahme an der Veranstaltung kaum etwas gebracht.
Oder vielleicht doch? Zeigte die Veranstaltung doch, daß auch unter den
Mitgliedern der DIE LINKE längst nicht Alle bereit sind, den (im schlimmsten
Sinn) sozialdemokratischen, also verräterischen, Kurs einiger korrupter
Spitzenfunktionäre zu tragen und umzusetzen. Auch wenn Jene sich Initiative,
demokratisch und sozialistisch nennen. Ist das tatsächlich antikapitalistische
Potential vielleicht doch größer, als wir glauben, auch wenn Viele (NOCH) nicht
den Weg zu uns gefunden haben?
Ich weiß nicht, wie groß dieses Potential ist. Ich weiß nur, daß wir jeden Tag
daran arbeiten müssen, Diejenigen, welche sich (NOCH) nicht zum Kommunismus
bekennen, aber zu ihm tendieren, aus dem Sumpf des Revisionismus, Reformismus
und Opportunismus zu ziehen.
Und die Veranstaltung klärte die Positionen, oder um im militärischen
Sprachgebrauch der Überschrift zu bleiben, die Front zwischen möglichen
Verbündeten und Verrätern.
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