Größte europäische Nazidemo erfolgreich blockiert
Wie in den vergangenen Jahren war heute, am 13.02.2010, in Dresden die größte
europäische Nazidemo geplant. Und zwar ausgerechnet 65 Jahre nach dem Tag, an
dem diese Stadt in einem Flammenmeer versank und etwa 35000 Menschen in
Bombenhagel und Feuersturm den Tod fanden. Natürlich ist dies auch ein Tag der
Trauer und des Gedenkens – aber in erster Linie des Gedenkens an die Folgen der
faschistischen Diktatur und des Kriegsbrandes, welchen die damaligen Nazis in
die Welt schleuderten und der auf Dresden zurückfiel. Ausgerechnet die
geistigen Nachfolger trommeln nun schon seit Jahren europaweit ihre
Gesinnungsgenossen zu einem heuchlerischen „Trauermarsch" zusammen, womit sie
jedesmal die Opfer ein weiteres Mal verhöhnen.
Die Repressionsmaßnahmen des Staates gegen Nichtnazis im Vorfeld, darunter
Razzien in mehreren Städten inclusive Beschlagnahme von Mobilisierungsmaterial
und Computern, sowie die politische Zensur der Internetseite
dresden-nazifrei.de, für die sich hinterher Staatsanwaltschaft und LKA den
Schwarzen Peter zuzuschieben versuchten und keiner mehr der Zensor gewesen sein
wollte, brachten die Mobilisierung erst so richtig in Schwung. Die
Ersatzinternetadresse dresden-nazifrei.com war ebensoschnell wieder online, wie
neues und viel mehr Informationsmaterial gedruckt war.
Und noch etwas Wichtiges wurde durch die allzu offensichtliche staatliche
Förderung des Naziaufmarsches erreicht: Der Aufruf zum Widerstand ging weit
über das hinaus, was die Medien des Naziwohlfühlstaates gern als „linksextremes
Spektrum" oder „linke Randalierer" diffamieren und erfaßte selbst aktive
Mobilisierer bis weit in das bürgerliche Spektrum hinein.
Dennoch versuchte der RECHTSstaat bis zuletzt, den Nazis ihren heuchlerischen
Aufmarsch doch noch zu ermöglichen. Da die Nazidemo zwischen 12 und 17 Uhr in
der Dresdner Neustadt stattfinden sollte, sperrte die Polizei schon am frühen
Morgen sämtliche Elbbrücken in diese Richtung, durchkämmte Straßenbahnen und
Busse und wies Alle zurück, von denen sie behauptete, „verdächtige Personen" zu
sein. Vermutlich verdächtig, keine Nazis zu sein. Das wurde bis zum Ende der
Nazikundgebung so durchgezogen.
Vermutlich durch einen Abstimmungsfehler der Einsatzleitung gelang uns dennoch,
zu den Blockadeorten durchzukommen, genauer gesagt zum größten davon am Platz
der Einheit (derzeit „Albertplatz"). Allein an diesem Punkt waren wir zeitweise
bis zu 5000, insgesamt in Dresden vielleicht 15-20000 Antifaschisten
verschiedener Coleur – gegenüber insgesamt 5000 Nazis und 8000 Polizisten. Die
Blockaden waren hervorragend organisiert. Mobiltelefon-Newsticker,
Infotelefone und vor Allem auch der freie Sender coloRadio ermöglichten die
Abstimmung über den Stand der Naziblockaden. Die Stimmung war prächtig, u.a.
mit Auftritten von Konstantin Wecker, dem Jenaer Oberbürgermeister und Anderen.
Der Polizei können die Nazis wirklich nicht den geringsten Vorwurf machen. Bis
zuletzt versuchte sie unter Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas, den Nazis
wenigstens eine Ersatzroute freizuprügeln.
Trotz der Temperaturen unter Null fuhren Wasserwerfer nicht nur auf, sondern
setzte sie auch ein, und zwar nicht etwa gegen die von den Kapitalistenmedien
so viel beschworenen "vermummten Steinewerfer", sondern gegen friedlich auf der
Straße sitzende Demonstranten. Ich selbst sah dabei die grinsenden Fratzen in
einem der Wasserwerfer aus geringer Entfernung. Offenbar hatten die Gestalten
sehr viel Spaß an ihrem Einsatz. Die Staatsschergen versuchten auch, die
Nichtnazis zu kriminalisieren,
indem sie uns den Status der Versammlung aberkannten und als „Ansammlung"
diffamierten. Worauf wir uns per Abstimmung nicht ganz einigen konnten, ob wir
lieber „Auflauf", „Mob" oder „Volksfest" genannt werden wollen.
Die verständlicherweise schlecht gelaunten Nazis machten schon auf der
behinderten Anreise Jagd auf Nichtnazis und überfielen das Alternative Zentrum
Conni, wobei es zu mehreren Verletzten kam. Über einen Nazi-Newsticker
kündigten sie auch coloRadio ihren „Besuch" an.
Die letzte Stunde vor offiziellem Nazidemoende gestaltete sich besonders
spannend. Gegen 16:15 Uhr wurde bekannt, daß nun doch ein Nazimarsch auf einer
Ausweichroute stattfinden soll. 16:27 Uhr erfolgte dann eine Polizeidurchsage,
daß die Sicherheit nicht gewährleistet werden kann und der Aufzug ausfallen
muß. Worauf kurz darauf jemand auf coloRadio völlig außer sich ins Mikro rief
„Stalingrad! Stalingrad!".
Nun befinden sich die Nazis nach einem erfolglosen Tag auf der Heimreise – oder
streunen frustriert und aggressionsgeladen durch's Stadtgebiet. Wir können nur
hoffen, daß es nach dem vorläufigen Abschluß meines Berichts nicht noch zu
Übergriffen und durch Nazis Verletzten kommt.
Die breite antifaschistische Mobilisierung hat gezeigt, wozu breite Bündnisse
gegen die reaktionäre Politik des Staates einschließlich seiner Förderung und
des Schutzes der Nazis fähig sind. Den Nazis blieb nach vielen Jahren die
Altstadt versperrt (nachdem sie ihnen noch vor einem Jahr durch die Polizei
reserviert war), sie waren mit etwa 5000 weniger als die 6000 im Vorjahr und
deutlich weniger als die geplanten 8000. Und sie hatten statt ihres
heuchlerischen „Trauermarsches" nur eine mehrstündige Stehveranstaltung in der
Kälte.
Alles in Allem ein sehr erfreulicher und zukunftsweisender Verlauf – genauer
gesagt in der Stadt, welche von den Nazis zur Versammlungshochburg erkoren
wurde, ein beeindruckender Sieg. Aber denkt daran: nur in einer Schlacht. Die
Nazis und der sie fördernde Staat werden selbstverständlich auch aus den
heutigen Erfahrungen lernen. Im nächsten Jahr geht die Auseinandersetzung in
die nächste Runde und nur weiter verstärkte Aktivitäten werden die Bemühungen
der Nazis und des Staates, den unsäglichen Aufmarsch durchzusetzen, vereiteln.
Am Besten, alle heutigen Teilnehmer bleiben schonmal in Kontakt und nehmen
Kontakt zu Weiteren auf, die auch keine Naziaufmärsche mögen.
PS: Ach ja, 'ne Menschenkette in der Dresdner Altstadt mit Kerzen und
nichtstuerischen Reden und so gab's auch noch, zu der die Stadtoffiziellen mit
Oberbürgermeisterin Orosz an der Spitze aufgerufen hatten. ColoRadio brachte
es, bürgerlichen Medienberichten vorgreifend, auf den Punkt: „Falls Ihr
es noch nicht wißt: In der Dresdner Altstadt fand heute eine Menschenkette
statt, welche den Naziaufmarsch in der Neustadt verhindert hat. Und die Erde
ist eine Scheibe."
PPS: Inzwischen wurde bekannt, daß Nazihorden im Anschluß an ihren erfolglosen
Versuch, in Dresden die Opfer des 2. Weltkrieges zu verhöhnen, noch
Einrichtungen in Pirna, Gera und Jena angriffen. Was uns zeigt, daß unser Sieg
nur ein wichtiger Schritt ist. Verhindert werden muß, daß sich Nazis noch
irgendwo und irgendwann zusammenrotten können. Sie selbst haben bewiesen, daß
sie tatsächlich ideologisch mit den Nazis von 1933-1945 identisch und deshalb
„Neonazis", „Rechtsextreme" oder andere irreführende Begriffe völlig falsch
sind. Sie sind und bleiben Nazis und uns bleibt nur die völkerrechtlich längst
vorgeschriebene Entnazifizierung Deutschlands, zu der der Naziwohlfühlstaat
B"R"D, der ja von Anfang an maßgeblich von Nazi- und Kriegsverbrechern
gestaltet wurde, weder gedacht noch gewillt ist.
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