Revolution?
Immer dasselbe mit den Ewiggestrigen! Wohlgenährt, warm gekleidet und
unbehelligt stehen sie vor vollen und herrlich bunten Schaufenstern und
verkünden die Notwendigkeit der Revolution, weil sich unsere Gesellschaft
angeblich in einer untergehenden Phase befindet. Diesen Unsinn haben wir schon
früher gehört, insbesondere von SED-Mitgliedern, die samt ihrer DDR und den
anderen sozialistischen Ländern längst vom Fenster weg sind.
Wir leben hier in den geordneten Verhältnissen der sozialen Marktwirtschaft,
freuen uns des Wohlstands der zivilisierten westlichen Welt, deren Werte vom
Rechtsstaat beschützt werden und fühlen die Nächstenliebe aus
christlich-abendländischer Tradition.
Na ja, die Nächstenliebe aus christlich-abendländischer Tradition fühlt man im
Alltag kaum noch,
aber doch wenigstens tief drinnen. Schließlich soll sie ja sogar in der
EU-Verfassung festgeschrieben werden. Einige wollen das nicht, wegen der
Ausgrenzung von Nicht-Christen und einzelnen christlich-abendländischen
Traditionen wie Massenmord an "Ketzern" und Andersgläubigen oder Kanonen- und
Truppensegnung. Diese Krümelkacker!
Hmm, genaugenommen ist das auch mit der Rechtsstaatlichkeit so eine Sache. Was
man so immer liest! Spendenaffären, Korruption, Beraterverträge,
Waffenschieberei, unberechtigte Inanspruchnahme von Leistungen (Privatflüge mit
der Flugbereitschaft, Bonusmeilenaffäre...). Aber Manche trifft's auch hart:
Möllemann stürzte sehr tief (und ungebremst), Schneider war auch dran, Hohmann
flog, Friedman war zwischenzeitlich auch weg vom Fenster und Boris muß
Unterhalt zahlen. Und an anderer Stelle versagt die Strafverfolgung schließlich
ebenfalls: Drogenhändler sind meist schnell wieder frei, Serienmörder und
Sexualstraftäter erhalten oft eine neue Chance. Es ist wohl schwer,
Rechtsstaatlichkeit durchzusetzen, ohne Freiheit und Menschenrechte zu
beeinträchtigen.
Immerhin tut der Staat Alles, diesen Mißständen abzuhelfen: Großzügige Telefon-
und Kennzeichenüberwachung, Kameras an allen Ecken und die neue SMS-Fahndung
(Einbeziehung von Freien und Willigen im öffentlichen Raum, um Flüchtige,
Vermißte und Gesuchte aufzuspüren) sollten uns ein völlig neues Gefühl der
Sicherheit geben. Der brave Bürger hat schließlich nichts zu befürchten. Wenn
er richtig gut ist, kann er sogar stolz sein, daß auch Andere erfahren, wo er
alles 'rumkommt und welche Stellungen er beherrscht.
Besonders stolz sollten wir auf die westliche Zivilisation sein. Zivilisation
und Stolz werden sogar aktiv in alle Welt getragen. Leider ist diese Welt
manchenorts etwas verstockt. Dortige dumme Menschen binden unsere
zivilisatorische Vorhut, die Bundeswehr, z.B. immer noch in Afghanistan und
verhindern so, daß wir in weitere Regionen vordringen, die Terroristen
(v)erjagen und die Menschen freiheitlich-demokratisch beglücken. Verdammte
Ziegenhirten! Die gehören wohl doch einer minderwertigen Rasse an.
Und erst der Wohlstand! Wo sonst könnte sich wohl weltweit ein so großer Teil
der Bevölkerung leisten, sich ständig nach den neuesten Vorgaben der Modemacher
zu kleiden?
Wir können unseren Kindern nicht nur Essen, Obdach und Kleidung bieten, sondern
Tamagotchi, Furby, Plüsch-Teletubbies, Computer mit ständig aktuellem
Spiel-Repertoire, Markenklamotten, schweineteure Kinokarten, beleuchtete
Inline-Skates und Vieles mehr kaufen; nicht etwa entweder/oder, sondern UND.
Weiß der Fuchs, wieso die Bälger immer häufiger hyperaktiv werden; schließlich
sollten sie mit den ganzen Wohlstandsprodukten ausgelastet sein und der Rest
sollte von Fernseher und Musikanlage erledigt werden. Vielleicht müssen wir das
Taschengeld von derzeit im Schnitt 70,- aufstocken. Vielleicht werden sie ja
nur durch die ständig nagenden Wünsche unzufrieden und nervös, die aufgrund der
knappen Mittel unbefriedigt bleiben müssen?
Wir sollten Alles für unsere Kinder tun. Sie sind unsere Zukunft. Da wir ihnen
keine Zeit opfern können (Aufschwung geht vor Familie), sollten wir ihnen ein
unbeschwertes Heranwachsen durch finanzielle Unabhängigkeit bieten. Damit
umzugehen, müssen sie schon selbst lernen. Schließlich werden sie später auch
auf sich allein gestellt sein.
Möglicherweise existieren auch derzeit einige Einschnitte im Sozialsystem. Der
mißlichen Wirtschaftslage kann sich eben niemand entziehen. Schließlich ist die
Konjunkturschwäche global. Zuerst muß die Wirtschaft wieder auf die Beine
kommen. Natürlich ist der Einschnitt ausgerechnet bei den Ärmsten und
Schwächsten hart. Aber es wäre falsch, den Rotstift ausgerechnet bei den
Unternehmern und anderen Leistungsträgern der Gesellschaft anzusetzen. Ohne die
geht nämlich gar nichts mehr, und wenn die wirtschaftlichen Bedingungen hier
nicht verbessert werden, wandern sie ab. Und was dann?
Natürlich ist bedauerlich, wenn ein nierenkranker Mann seine Dialyse sausen
läßt, weil er die Fahrtkosten erst zusammenbetteln muß, und während der
nächsten draufgeht. Das hat wohl Alle tief berührt. Aber wir dürfen uns durch
solche Sentimentalität nicht das zarte Pflänzlein Aufschwung zertreten lassen.
Das klingt vielleicht hart, aber der arme Mann war sicher mit seinem Leben
sowieso nicht zufrieden, so daß sein Tod als Erlösung betrachtet werden muß -
und gleichzeitig als Erlösung der Volksgemeinschaft von der finanziellen Last
seiner Existenz. So war der zunächst als Drama erscheinende Tod des Mannes die
beste Lösung für alle Seiten.
Dieser Tod sollte eben nicht zur undifferenzierten Verurteilung der
Reformgesetze führen, sondern zur konstruktiven Diskussion des schwierigen
Problems Euthanasie. Wieso wurde die nicht schon längst angeschoben; erste gute
Ansätze gab es ja schon vor Jahren, z.B. sichtbar im Begriff des
"sozialverträglichen Frühablebens"? Glücklicherweise sind die humanistischen
Weicheier in Berlin offenbar endlich zur Besinnung gekommen.
Die Gesundheitsreform in Verbindung mit den anderen Sozialreformen läßt
erwarten, daß sich die Inanspruchnahme medizinischer Leistungen durch sozial
Schwache (also recht unproduktive Mitglieder unserer Volksgemeinschaft)
zugunsten einer besseren Versorgung der Leistungsträger unseres Deutschen
Volkes verschiebt. So wird die Lebenserwartung wertarmer Menschen im Vergleich
zu den wertvollen langsam, aber nachhaltig gesenkt - auf natürlichem Weg.
Die konsequente Fortsetzung des Reformkurses ist deshalb unabdingbar für
zunehmende Volksgesundheit und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Deutschen
Volkes und des Großdeutschen Reiches.
(Hoppla, jetzt war ich wohl doch etwas schnell.)
15.02.2004
Torsten Reichelt
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