Die satanistische Gesellschaft


Vor einiger Zeit habe ich einen Beitrag über bekennende Satanisten gesehen. Die klangen ganz vernünftig. Sie distanzierten sich von blutigen Ritualen und Gewalttaten extremer Gruppierungen dieser Szene. Der wesentliche Inhalt ihrer Anschauung ist ein selbstbestimmtes eigenverantwortliches Leben, in dem sie sich keine Selbstbeschränkungen auferlegen und keinen Genuß versagen, nur weil das Jemand von ihnen fordert. Schwäche und Gefühlsduselei mögen sie nicht.

Inzwischen ist mir klar, warum das so vernünftig klang: Außer vielleicht der äußeren Erscheinung entspricht das dem Idealbild des Erfolgsmenschen, welches uns täglich von solchen Menschen über solche Menschen vermittelt wird. Wenn auch nicht Alle in der Lage sind, dieses Ideal zu erreichen, versuchen doch Viele, ihm möglichst nahezukommen.

Besonders erwähnenswert finde ich in dem Zusammenhang, daß nach einer soziologischen Untersuchung (die genaue Quelle weiß ich nicht mehr, der Beitrag darüber kam im Deutschlandfunk) die "Null-Bock-Generation" einer neuen, erfolgsorientierten Platz gemacht hat. Dazu führt aus meiner Sicht eine fatale Mischung aus propagiertem Individualismus, materiellem Heilsversprechen und Schüren von Zukunftsängsten - und wieder genau seitens derer, die diesen Weg bereits gegangen sind.

Stellt Euch vor, Satan hätte seine Herrschaft längst angetreten - und keiner kriegt's mit, weil ihm die Mehrheit bereits folgt. Er hat weder Schwanz noch Pferdefuß, hat Schwefelgestank gegen dezentes Herrenparfum getauscht, Fell gegen Anzug und fährt vielleicht sonntags mit seinem Mercedes zur Messe. Er versucht auch nicht mehr Einzelne zwecks Erwerb ihrer Seele, sondern zieht sie scharenweise durch Auftritte vor Kameras und über Mikrofone auf seine Seite.

Und dennoch ist er leicht zu erkennen: An seinen Früchten. Wie seine Jünger an ihren.


29.11.2002

Torsten Reichelt


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Das Umdenken