Wie ich bereits in "Wenn sich der Bock zum Gärtner macht" schrieb, bleibt die
Decke trotz fortgesetztem Sparkurs, weiterer Steuererhöhung und/oder wachsendem
Schuldenberg zu kurz. Das wird auch so bleiben, solange die falschen Fragen
gestellt und Symptome als die Probleme verkauft werden, welche es zu lösen gilt.
Mit wenigen Überlegungen sind sowohl die Ursachen der Krise (die ja nicht nur
den Haushalt betrifft) als auch wirkliche Lösungsansätze zu finden.
1. Das Bruttoinlandsprodukt ist (bis auf die letzten zwei Quartale)
kontinuierlich gestiegen.
2. Nur Menschen erhalten Geld. Statt irreführenden Buhmännern wie "wachsende
Gesundheitskosten", "Lohnnebenkosten" oder "Ausgaben für den Aufbau Ost" stehen
hinter allen Kosten menschliche Geldempfänger.
3. Wo das Geld (der Gegenwert der gegenständlichen Wertschöpfung) bleibt, ist
leicht daran zu erkennen, wer mittels dieses Geldes die gegenständlichen Werte
(Immobilien, Produktionsstätten, Luxusgüter, Vergnügungen) in seinen Besitz
bringt bzw. genießt.
4. Kaum verwundert, daß es sich dabei um dieselben Personen handelt, welche die
Regeln der Verteilung festlegen (Regierung, Manager, Spitzen der Arbeitgeber-
wie auch Arbeitnehmervertretungen...), sowie um deren Verwandte, Bekannte und
Geschäftspartner.
5. Dieser Personenkreis (auch kurz "Prominente" und "Erfolgreiche" genannt)
präsentiert sich medienwirksam als anzustrebendes Ideal. In Verbindung mit
Nachahmungstrieb und der schon von Einstein richtig erkannten unendlichen
Dummheit des Menschen führt dies zur Verbreitung dieses egoistischen gierigen
Verhaltens in allen Bevölkerungsschichten.
6. Die negativen Folgen der Umverteilung werden dadurch nach dem
Radfahrerprinzip (nach oben buckeln, nach unten treten) bis zu den Wehrlosen
durchgereicht. Diese werden praktischerweise von den Nutznießern des Systems
bereitgestellt und dienen gleichzeitig zur Motivation aller, die nicht "so tief
sinken" wollen.
Solange egoistische Gier Prinzip und Vorbild ist, wird kein Umfang der
gegenständlichen Wertschöpfung je genügen, sie zu befriedigen - die Decke wird
zu kurz bleiben. Sozusagen das ökonomische Hase-und-Igel-Problem. Jeder kann
sich selbst prüfen, wieweit er nicht nur Opfer, sondern auch Täter ist.
Noch zwei kleine Denkanstöße, welche grundlegenden Fehler beseitigt werden
müssen, um ein langzeitstabiles System auch nur andenken zu können:
1. Der Wahn des ewigen Wachstums: Jeder Fünftklässler sollte selbst nach PISA
mathematisch nachweisen können, daß ewiges Wachstum in einem geschlossenen
System nicht funktioniert. Solange das aber Grundlage der "modernen Ökonomie"
ist, sind zyklische Zusammenbrüche unvermeidlich. Das System zeigt seine
natürlichen Grenzen.
2. Die Lüge vom arbeitenden Geld: Geld arbeitet nicht und vermehrt sich nicht.
Ich habe jedenfalls noch keins mit einer Schaufel in der Hand oder beim
Geschlechtsverkehr gesehen. Menschen arbeiten. Wer behauptet, Geld würde für
ihn arbeiten, verschleiert, daß er sich, ohne einen Finger zu rühren, an den
Früchten der Arbeit Anderer bereichert. Damit eng im Zusammenhang steht das
Zinssystem. Wußten Sie, daß, hätte Joseph anläßlich Jesu Geburt einen Pfennig
mit einem Zinssatz von 5% p.a. angelegt, inzwischen Zinsen von über 200
Milliarden Erdmassen Gold angelaufen wären, die irgendwer hätte erarbeiten
müssen (wenn das möglich wäre)?
Wir haben jede Menge Probleme. Sie sind aber nur lösbar, wenn man nicht Andere,
sondern sich "in die Pflicht nimmt" (wie der beliebte Medienbegriff lautet).
Sparen wir doch erst einmal an der eigenen Gier und am Konsum bunten nutzlosen
Plunders. Dazu noch eine Frage an jeden Leser: Glauben Sie, daß die Erde 6,3
Milliarden Menschen mit Ihrem Lebensstandard ertragen würde, ohne daß die
Umwelt die weiße Fahne hißt? Wenn nein: Mit welchem Recht gestehen Sie sich
mehr zu als Anderen?
26.05.2003
Torsten Reichelt