Die Wölfe
und das "Wölfchen"
Einst
wurde den Wölfen die Jagd zu mühsam. Sie überlegten,
wie sie wohl ohne diese Anstrengung an saftigen Hasenbraten kämen.
Unter diesen Wölfen war ein alter, grauer Wolf, von dem Keiner
genau wußte, wie alt er war. Er hatte eine gute Idee.
Er schlug
vor, man solle doch ein paar von den Hasen für sich gewinnen.
Die anderen Wölfe waren begeistert. In den folgenden Wochen
hingen sie überall im Wald Plakate aus, daß jetzt Friede
zwischen Hasen und Wölfen herrsche, daß aber die Wölfe
im künftigen friedlichen Zusammenleben die Leitung übernähmen,
da sie ja bekanntlich die Klügeren und Stärkeren seien.
Damit aber
die Hasen die ehrliche Absicht sahen, wurden einige Hasen in die
Reihen der Wölfe aufgenommen. Sie erhielten eine Mütze mit
der Aufschrift "Wolf" und hatten einige Privilegien der
Wölfe. Sie leiteten die anderen Hasen bei ihren Arbeiten an und
fühlten sich als kleine Wölfchen. Sie sagten sich, sie
müßten nur viel und gut für die Wölfe arbeiten
und sich über die anderen Hasen erheben, um endgültig als
richtige Wölfe anerkannt zu werden.
Die
"Wölfchen" sorgten nicht nur dafür, daß
die Hasen für sie und die Wölfe arbeiteten. Ab und zu
verschwand ein Hase und blieb verschwunden. Böse Hasen
munkelten, einige von denen hätte man vorher mit einem
"Wölfchen", einem Hasen mit "Wolf"-Mütze,
weggehen sehen. Als nächste verschwanden dann auch diese bösen
Hasen. Oft waren sie auf dem Weg zu einem "Wölfchen"
zuletzt gesehen worden. Der schwor vor dem Wolfsgericht, an dem auch
die Hasen als Zuschauer teilnehmen durften, aber immer, der böse
Hase sei nie bei ihm angekommen und so wurde er von der Anklage des
Hasenraubs freigesprochen.
Seltsam
war, daß die Wölfe immer dicker wurden, obwohl sie ja
keine Hasen mehr jagten. Je dicker sie wurden, umso mehr Hasen
verschwanden. Das kam soweit, daß nicht mehr genügend
Hasen da waren, um für die Wölfe und für die
"Wölfchen", die Hasen mit "Wolf"-Mütze,
zu arbeiten. Es verschwanden auch immer weniger Hasen, weil ja kaum
noch welche da waren. Schon lange begannen auch die "Wölfchen"
zu verschwinden.
Die
meisten Wölfe wurden dünner und fingen an, anderen Wölfen
die letzten Hasen, die noch für sie arbeiteten, wegzunehmen.
Beim Streit um diese letzten Hasen wurden sogar Wölfe verletzt
und zwei getötet. Nur sehr wenige Wölfe wurden immer
fetter.
Eines
Tages stand der letzte Hase mit "Wolf"-Mütze auf
einer Lichtung und knabberte an einem Pilz. Da sah er im Wald Augen
funkeln. Als alter erfahrener Hase kannte er das Funkeln aus den
Zeiten, als die Wölfe den Hasen noch nicht den Frieden erklärt
hatten. Aber erstens war ja Frieden und zweitens trug er die
schützende Mütze mit der Aufschrift "Wolf".
Klar, auch er war am spurlosen Verschwinden von ein paar Hasen
beteiligt, aber das waren eben Hasen. Er selbst war ja ein Wölfchen,
schon fast ein Wolf, was sollte ihm also passieren?
Das waren
seine letzten Gedanken, bevor er von den Wölfen zerrissen und
verschlungen wurde. Auf der Lichtung blieb die blutige Mütze
mit der Aufschrift "Wolf".
Für
Jene, die das nicht verstanden haben: Lakaien des Großkapitals
in Medien, Management und Staat, Selbständige,
Kleinunternehmer: Unerheblich ist, was Euch eingeredet wird und was
Ihr Euch einbildet. Im Kapitalismus entscheidet das internationale
Finanzkapital über Eure Nützlichkeit und Entbehrlichkeit.
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