Das Bildungswesen der BRD war noch nie in der Lage, diesen
Staat mit in Anzahl und Qualifikation ausreichenden
Fachkräften zu versorgen. Auch im öffentlichen Bildungswesen
herrscht permanenter Notstand, sowohl bei ausreichender
personeller als auch bei finanzieller Ausstattung.
Weil das so ist, existiert in der BRD ein zweiter
Bildungssektor in Form von Schulen in freier Trägerschaft.
Diese werden staatlich bezuschußt. Allerdings in einem
skandalös niedrigen Umfang. Das beruht unter Anderem darauf,
daß der Bedarfsermittlung ungeachtet steigender Preise für
Mieten, Energie, Personal und aller anderen Kosten
eingefrorene Berechnungsgrundlage Zahlen von 2007 zugrunde
liegen.
Unter'm Strich beträgt die finanzielle Ausstattung der Schulen
in freier Trägerschaft gerade mal die reichliche Hälfte der
ohnehin schon lausig ausgestatteten öffentlichen Schulen.
Deshalb rief der Ausschuss der Schulen in Freier Trägerschaft
im Landeselternrat Sachsen zu einem Aktionstag auf: Details.
Bei wunderschönem Frühsommerwetter demonstrierten wir zunächst
durch die Innenstadt (leider nur durch die Fußgängerzone, so
daß die Wahrnehmung und öffentliche Wirksamkeit suboptimal
war). Dann fand an den Dresdner Elbwiesen vor den Fenstern des
Sächsischen Finanzministeriums die Kundgebung statt – auf der
Fläche, wo sommers die „Filmnächte am Elbufer“
stattfinden.
Teilnehmer waren Schulen in freier Trägerschaft aus dem
ganzen Raum Sachsen (Liste
der teilnehmenden Schulen). Nach meiner Schätzung
insgesamt etwa 2000. Viele führten Selbstgemachte Transparente
mit, die von der Anprangerung der derzeitigen Regierung aus
CDU und FDP bis zur schon zur ansatzweisen Klassenfrage
(„Klasse Bildung statt Klassen-Bildung“) gingen. (Symbol der
Arbeiterbewegung sah ich nur eines: Eine große rote Fahne,
welche zu meinem Erstaunen kein einziges Mal auf Kritik stieß,
allerdings auch nur einen positiven Kommentar hervorrief. Ich
weiß das so genau, weil ich der Träger war. Zumindest, bis die
verdammte klimagewandelte Ausgeburt der Kapitalherrschaft, der
Wind, sie auf einer Brücke von meiner Fahnenstange in die Elbe
beförderte.) Zum Glück erst kurz vor Ende der Menschenkette,
welche wir über Carolabrücke und Dimitroffbrücke spannten.
Insgesamt eine recht gelungene Aktion, zumal organisiert von
Leuten, die wohl kaum Protesterfahrung hatten. Ich möchte hier
nicht falsch verstanden werden: selbstverständlich stehe ich
„alternativen“ Bildungswegen ebenso kritisch gegenüber wie der
sogenannten „alternativen“ Medizin. Aber hier ging's um die
Interessen der Arbeiter an und Schüler in Schulen sowie um den
Versuch, der planmäßigen Volksverblödung durch Kürzung der
Bildungsmittel Widerstand entgegenzusetzen.
Bisher habt Ihr Euch vielleicht gefragt, was der Text mit der
Überschrift zu tun hat. Mit Recht. Denn dieser Zusammenhang
ergibt sich aus dem leider im doppelten Sinn engagierten
Hauptredner. Engagiert durch die Veranstalter und engagiert
für seine Karriere. Und die findet seit Jahrzehnten in der BRD
statt. Ich meine den Nestbeschmutzer Gunther Emmerlich.
Geboren 1944 und hauptsächlich aufgewachsen in der DDR genoß
er die Vorzüge eines hervorragenden Bildungswesens und danach
die der intensiven Kulturförderung. Was er heute ist, wurde er
durch die DDR, durch die Mittel, die ihm von Arbeitern der DDR
für seine Künstlerkarriere bereitgestellt wurden. Seit der
Konterrevolution 1989/90 läßt er sich gern von den neuen –
kapitalistischen – Herren hofieren.
Die heutige Auftrittsmöglichkeit nutzte er, um kein Wort über
das Thema – die Unterfinanzierung der Schulen in freier
Trägerschaft – zu sagen (Ausschnitt
aus Emmerlichs Hetztiraden). Vielleicht hatte er aber
irgendeinen Kommentar dazu in einem Nebensatz versteckt, der
mir entgangen ist.
Der Hauptinhalt seiner Rede war aber, wie gräßlich das
Schulsystem der DDR war, weil man keine Alternativen in Form
freier Schulen hatte. Er beklagte sich, diesem System
alternativlos ausgesetzt gewesen zu sein. (Anmerkung des
Autors: Wollte er Weltherrscher werden und sieht sich nun als
bekannter und reicher Opernsänger seiner Karrieremöglichkeiten
beraubt? Böse Zungen, die was von Gesang verstehen, behaupten,
er könne nichtmal sonderlich gut singen, sich aber umso besser
an Jeden verkaufen. Sicher nur böse Zungen.)
Erstaunlich war die Geschichte von seinen Kindern und Enkeln,
welche „freie Schulen“ besucht hätten, worüber er wieder
solche Freude bekundete, daß er glatt vergaß, auf das
nebensächliche Detail der Unterfinanzierung einzugehen,
welches aus seiner Sicht wohl völlig unnützerweise
Veranstaltungsthema war, auf das einzugehen sich nicht
(wörtlich gemeint) lohnt.
Aber ich stoße da auf ein mathematisches Problem: In der DDR
gab's – auch nach seiner Aussage – keine „freien“ Schulen.
Aber sowohl seine Kinder als auch seine Enkel gingen nach
seinen Aussagen in „freie“ Schulen. Innerhalb von 22 ½ Jahren
durchlaufen zwei Generationen nicht nur das Schulsystem,
sondern das auch noch mit einem 1944 geborenen Vater bzw.
Großvater. Aber sei's drum, möglich ist das schon. Wenn er als
40jähriger 1984 Vater wurde und das Nachkomme Anfang 20 Kinder
bekam, wäre das Enkel jetzt tatsächlich in der Schule. Nach
seinen Angaben aber in einer (Thema des Tages)
unterfinanzierten „freien“ Schule. Oder aber
(wahrscheinlicher) an einer Privatschule für Kinder reicher
Eltern und Großeltern, denen scheißegal ist, was sie für die
Bildung ihrer Kinder/Enkel privat bezahlen müssen, um von
lausig finanziertem staatlichen Bildungssystem und noch
lausigeren staatlichen Zuschüssen für Privatschulen unabhängig
zu sein.
Nur so ist das erwähnte mathematische Problem zu lösen und
gleichzeitig zu erklären, daß Emmerlich kein Problem mit der
Unterfinanzierung hat, sondern sein Thema die Hetze gegen die
DDR und ihr Bildungswesen war. Keine Ahnung, warum der Typ als
Hauptredner engagiert bzw. nicht wenigstens gebeten wurde,
irgendwas zum Thema der Veranstaltung zu sagen. Interessant
war, daß Emmerlichs Gunther für seinen komplett abgelesenen
Text stürmischen Applaus erntete. Sicher nicht für den
themenfernen Blödsinn, den er verzapfte, sondern weil er
Emmerlichs bekannter Gunther ist. So funktionieren
Propagandatricks.
Tja, effektiver Widerstand entsteht eben nicht plötzlich, er
muß gelernt werden. Die Widerständigen müssen auch lernen, daß
bei solchen Veranstaltungen die opportunistischen Emmerlichs
trotz hohen Bekanntheitsgrades ebenso ungeeignete Redner sind
wie die Tillichs (Tillich ist der Sächsische
Ministerpräsident) oder Merkels.