Wir sind die Schule

Wir sind die Schule

Die gute Nachricht: Der Widerstand gegen die Staatspolitik nimmt zu. Gemeint ist der Aktionstag gegen die Benachteiligung der Schulen in freier Trägerschaft durch die Sächsische Staatsregierung am 15.05.2013.

Das Bildungswesen der BRD war noch nie in der Lage, diesen Staat mit in Anzahl und Qualifikation ausreichenden Fachkräften zu versorgen. Auch im öffentlichen Bildungswesen herrscht permanenter Notstand, sowohl bei ausreichender personeller als auch bei finanzieller Ausstattung.

Weil das so ist, existiert in der BRD ein zweiter Bildungssektor in Form von Schulen in freier Trägerschaft. Diese werden staatlich bezuschußt. Allerdings in einem skandalös niedrigen Umfang. Das beruht unter Anderem darauf, daß der Bedarfsermittlung ungeachtet steigender Preise für Mieten, Energie, Personal und aller anderen Kosten eingefrorene Berechnungsgrundlage Zahlen von 2007 zugrunde liegen.

Unter'm Strich beträgt die finanzielle Ausstattung der Schulen in freier Trägerschaft gerade mal die reichliche Hälfte der ohnehin schon lausig ausgestatteten öffentlichen Schulen.

Deshalb rief der Ausschuss der Schulen in Freier Trägerschaft im Landeselternrat Sachsen zu einem Aktionstag auf: Details.

Bei wunderschönem Frühsommerwetter demonstrierten wir zunächst durch die Innenstadt (leider nur durch die Fußgängerzone, so daß die Wahrnehmung und öffentliche Wirksamkeit suboptimal war). Dann fand an den Dresdner Elbwiesen vor den Fenstern des Sächsischen Finanzministeriums die Kundgebung statt – auf der Fläche, wo sommers die „Filmnächte am Elbufer“ stattfinden. 

Vor dem Finanzministerium 

Teilnehmer waren Schulen in freier Trägerschaft aus dem ganzen Raum Sachsen (Liste der teilnehmenden Schulen). Nach meiner Schätzung insgesamt etwa 2000. Viele führten Selbstgemachte Transparente mit, die von der Anprangerung der derzeitigen Regierung aus CDU und FDP bis zur schon zur ansatzweisen Klassenfrage („Klasse Bildung statt Klassen-Bildung“) gingen. (Symbol der Arbeiterbewegung sah ich nur eines: Eine große rote Fahne, welche zu meinem Erstaunen kein einziges Mal auf Kritik stieß, allerdings auch nur einen positiven Kommentar hervorrief. Ich weiß das so genau, weil ich der Träger war. Zumindest, bis die verdammte klimagewandelte Ausgeburt der Kapitalherrschaft, der Wind, sie auf einer Brücke von meiner Fahnenstange in die Elbe beförderte.) Zum Glück erst kurz vor Ende der Menschenkette, welche wir über Carolabrücke und Dimitroffbrücke spannten.

Insgesamt eine recht gelungene Aktion, zumal organisiert von Leuten, die wohl kaum Protesterfahrung hatten. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: selbstverständlich stehe ich „alternativen“ Bildungswegen ebenso kritisch gegenüber wie der sogenannten „alternativen“ Medizin. Aber hier ging's um die Interessen der Arbeiter an und Schüler in Schulen sowie um den Versuch, der planmäßigen Volksverblödung durch Kürzung der Bildungsmittel Widerstand entgegenzusetzen.

Bisher habt Ihr Euch vielleicht gefragt, was der Text mit der Überschrift zu tun hat. Mit Recht. Denn dieser Zusammenhang ergibt sich aus dem leider im doppelten Sinn engagierten Hauptredner. Engagiert durch die Veranstalter und engagiert für seine Karriere. Und die findet seit Jahrzehnten in der BRD statt. Ich meine den Nestbeschmutzer Gunther Emmerlich.

Geboren 1944 und hauptsächlich aufgewachsen in der DDR genoß er die Vorzüge eines hervorragenden Bildungswesens und danach die der intensiven Kulturförderung. Was er heute ist, wurde er durch die DDR, durch die Mittel, die ihm von Arbeitern der DDR für seine Künstlerkarriere bereitgestellt wurden. Seit der Konterrevolution 1989/90 läßt er sich gern von den neuen – kapitalistischen – Herren hofieren.

Die heutige Auftrittsmöglichkeit nutzte er, um kein Wort über das Thema – die Unterfinanzierung der Schulen in freier Trägerschaft – zu sagen (Ausschnitt aus Emmerlichs Hetztiraden). Vielleicht hatte er aber irgendeinen Kommentar dazu in einem Nebensatz versteckt, der mir entgangen ist.

Der Hauptinhalt seiner Rede war aber, wie gräßlich das Schulsystem der DDR war, weil man keine Alternativen in Form freier Schulen hatte. Er beklagte sich, diesem System alternativlos ausgesetzt gewesen zu sein. (Anmerkung des Autors: Wollte er Weltherrscher werden und sieht sich nun als bekannter und reicher Opernsänger seiner Karrieremöglichkeiten beraubt? Böse Zungen, die was von Gesang verstehen, behaupten, er könne nichtmal sonderlich gut singen, sich aber umso besser an Jeden verkaufen. Sicher nur böse Zungen.)

Erstaunlich war die Geschichte von seinen Kindern und Enkeln, welche „freie Schulen“ besucht hätten, worüber er wieder solche Freude bekundete, daß er glatt vergaß, auf das nebensächliche Detail der Unterfinanzierung einzugehen, welches aus seiner Sicht wohl völlig unnützerweise Veranstaltungsthema war, auf das einzugehen sich nicht (wörtlich gemeint) lohnt.

Aber ich stoße da auf ein mathematisches Problem: In der DDR gab's – auch nach seiner Aussage – keine „freien“ Schulen. Aber sowohl seine Kinder als auch seine Enkel gingen nach seinen Aussagen in „freie“ Schulen. Innerhalb von 22 ½ Jahren durchlaufen zwei Generationen nicht nur das Schulsystem, sondern das auch noch mit einem 1944 geborenen Vater bzw. Großvater. Aber sei's drum, möglich ist das schon. Wenn er als 40jähriger 1984 Vater wurde und das Nachkomme Anfang 20 Kinder bekam, wäre das Enkel jetzt tatsächlich in der Schule. Nach seinen Angaben aber in einer (Thema des Tages) unterfinanzierten „freien“ Schule. Oder aber (wahrscheinlicher) an einer Privatschule für Kinder reicher Eltern und Großeltern, denen scheißegal ist, was sie für die Bildung ihrer Kinder/Enkel privat bezahlen müssen, um von lausig finanziertem staatlichen Bildungssystem und noch lausigeren staatlichen Zuschüssen für Privatschulen unabhängig zu sein.

Nur so ist das erwähnte mathematische Problem zu lösen und gleichzeitig zu erklären, daß Emmerlich kein Problem mit der Unterfinanzierung hat, sondern sein Thema die Hetze gegen die DDR und ihr Bildungswesen war. Keine Ahnung, warum der Typ als Hauptredner engagiert bzw. nicht wenigstens gebeten wurde, irgendwas zum Thema der Veranstaltung zu sagen. Interessant war, daß Emmerlichs Gunther für seinen komplett abgelesenen Text stürmischen Applaus erntete. Sicher nicht für den themenfernen Blödsinn, den er verzapfte, sondern weil er Emmerlichs bekannter Gunther ist. So funktionieren Propagandatricks.

Tja, effektiver Widerstand entsteht eben nicht plötzlich, er muß gelernt werden. Die Widerständigen müssen auch lernen, daß bei solchen Veranstaltungen die opportunistischen Emmerlichs trotz hohen Bekanntheitsgrades ebenso ungeeignete Redner sind wie die Tillichs (Tillich ist der Sächsische Ministerpräsident) oder Merkels.

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Das Umdenken