Der Kommunismus ist gescheitert. DDR, Sowjetunion und der ganze übrige
"Ostblock" haben bewiesen, daß das "Modell" nicht funktioniert. (Mit den
überbleibenden Ausnahmen Nordkorea, Vietnam, Kuba und China wirds ja wohl mit
dem Zusammenbruch auch nicht mehr lange dauern.)
Wirklich?
Lange wurde auch behauptet, der Mensch könne nicht fliegen, und Viele haben
sich bei dem Versuch den Hals gebrochen. Was zu beweisen war? Es war nur eine
Frage des Erkenntnisstandes und der Erfahrung, bis Fliegen zur
Selbstverständlichkeit wurde.
Die Voraussetzungen zur Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung
waren noch nie so gut wie jetzt. Mit "jetzt" meine ich nicht heute oder nächste
Woche, sondern die Zeit nach dem Scheitern des ersten Großversuchs. Aufgrund
der Erfahrungen können wir die begangenen Fehler erkennen und künftig
vermeiden. Der Kapitalismus (wie vorher Sklavenhaltergesellschaft, Feudalismus
und jede andere auf Egoismus und Parasitismus beruhende Gesellschaftsform) wird
uns mit seinem nächsten gesetzmäßigen Zusammenbruch eine weitere Möglichkeit
geben, die wir dann nur richtig nutzen müssen.
Der Kommunismus ist nicht gescheitert. Er wurde noch nie errichtet. In den
sozialistischen Ländern wurden schwerwiegende und einfach erkennbare Fehler
gemacht, wie bei früheren Versionen (Urgesellschaft, Stammesgesellschaften,
Urchristentum und andere).
Daran scheiterte die Langzeitstabilisierung der gemeinnützigen
Gesellschaftsordnung und wird das immer wieder, solange wir uns zu dumm
anstellen, aus allen Erfahrungen und Fehlern zu lernen und nicht nur denen des
vorherigen Versuchs.
Inhalt
1. Der Teufel und das Weihwasser
2. Kartenhäuser
3. Zur Sache: Gründe des Scheiterns
4. Alte Zöpfe
5. Kleinbürgerlich?
6. Die Partei als führende Kraft
7. Die SED / PDS und ihre Mitglieder
8. Errungenschaften
9. Der nächste Versuch
10. Gestaltung von Kontrollmechanismen
11. Der dritte Schritt
12. Gescheiterter Kommunismus?
13. Nachtrag: Kommunismus und Religion
1. Der Teufel und das Weihwasser [zum Inhaltsverzeichnis]
"Hatten wir schon.", "Ewiggestrige!", "Die spinnen doch.", "Euch müßte man
totschlagen!", "Kommunistenschweine!" und Anderes bekommt man zu hören, wenn
man sich mit einer Sowjetfahne oder in ihrer Nähe auf der Straße zeigt.
Genauer gesagt steht mein Freund Hans-Jürgen mit der Sowjetfahne da und ich
daneben unter dem urchristlichen Symbol des Fisches, griechisch: Ichthys. Für
Unwissende: ein Akronym von Iesous CHreistos THeou Yios Soter = Jesus Christus,
Gottes Sohn und Retter. Ein so feines Unterscheidungsvermögen (und einen so
ausgeprägten Unterscheidungswillen) gibt die bundesdeutsche "humanistische" und
"christlich-abendländische" Allgemeinbildung wohl nicht her, Hammer und Sichel
auf einer roten Fahne von einem Fisch auseinanderzuhalten. Doch ich will nicht
kleinlich sein; schließlich bin ich mit Hans-Jürgen befreundet und teile
weitgehend seine Ansichten. Deshalb treffen mich wohl Unmutsbekundungen und
Tötungsabsichtserklärungen nach dem
"mitgegangen-mitgefangen-mitgehangen"-Prinzip zu Recht.
Zudem bin ich ja ein noch "Ewiggestrigerer" als Hans-Jürgen, da der Kommunismus
sich seit seiner wissenschaftlichen Begründung erst seit etwa 150 Jahren noch
nicht durchsetzen konnte, das Christentum aber schon fast 1700 Jahre versagt.
Ich finde vor Allem die Oberflächlichkeit erschreckend, mit welcher
(Vor-)Urteile nicht nur gefällt, sondern lauthals verkündet werden. Dabei
besteht nicht die geringste Bereitschaft zur Auseinandersetzung mit den
Ansichten und Absichten, welche wir vertreten. In diesen oberflächlichen,
aggressiven und teilweise haßerfüllten Auftritten kommt keine eigene
Erkenntnis, sondern eine (u.a. von den kapitalistischen Medien) geprägte
Meinung zum Ausdruck. Menschen ohne begründete Erkenntnis scheuen die
Auseinandersetzung mit Menschen mit begründeter Erkenntnis, wie die Lüge die
Wahrheit scheut und der Teufel das Weihwasser.
2. Kartenhäuser [zum Inhaltsverzeichnis]
Eine solche Scheu findet sich sowohl bei Namenskommunisten (welche ich von
richtigen Kommunisten unterscheide) als auch Antikommunisten, wenn das
Scheitern des Kommunismus (genauer müßte das heißen: des kommunistischen
Aufbaus) zur Sprache kommt.
Die Namenskommunisten könnten ja bei der Fehlersuche auf Mängel eigener
Erkenntnis und vor Allem eigenen Handelns stoßen. Sie möchten nicht, daß das
Kartenhaus ihres Weltbildes und Selbstbildes angerührt wird (weil dann das
geschehen würde, was bei der Berührung von Kartenhäusern nunmal geschieht). Sie
wiederholen die alten Phrasen, als hätte es keine Fehlversuche, auch mit recht
verschiedenen Ansätzen (UdSSR vs. Jugoslawien), gegeben und als müsse man aus
der historischen Erfahrung nichts lernen.
Ganz ähnlich die Antikommunisten. Sie schwelgen im sicheren Glücksgefühl, daß
der "Kommunismus" gescheitert ist. Das hält ihr Kartenhaus aufrecht. Bei
genauer Analyse würden sie erkennen, daß sich an den gesetzmäßig
wiederkehrenden Zusammenbrüchen des Kapitalismus nichts geändert hat und ein
kommender Versuch des kommunistischen Aufbaus aufgrund des
Erkenntnisfortschritts zum Erfolg führen wird.
Ob es der nächste, übernächste oder soundsovielte wird, liegt an uns. Dabei ist
verschwendete Zeit und Energie, die Namenskommunisten und Antikommunisten
(analog Namenschristen und Antichristen) beeinflussen zu wollen. Die Arbeit mit
ihnen ist schwieriger und fruchtloser, als mit denen, welche noch keine
gefestigte Meinung haben. Schon Jesus erkannte dieses Problem richtig: "Gebt
heilige Dinge nicht den Hunden zum Fraß! Und eure Perlen werft nicht den
Schweinen hin! Die trampeln doch nur darauf herum, und dann wenden sie sich
gegen euch und fallen euch an." (Matthäus 7;6)
3. Zur Sache: Gründe des Scheiterns [zum Inhaltsverzeichnis]
Sicher ließe sich eine Vielfalt von Gründen des Scheiterns des Sozialismus
anführen. Die meisten davon sind aber symptomatische, das heißt, Folgen von
ursächlichen Fehlern beim kommunistischen Aufbau. Auch unter der Gefahr, der
Vereinfachung beschuldigt zu werden, möchte ich die drei anführen, aus denen
sich die Folgefehler ergaben:
1) Die ideologische Arbeit wurde vernachlässigt.
2) Die gesellschaftswissenschaftliche Arbeit wurde vernachlässigt.
3) Die hierarchische Struktur enthielt keine wirksamen Kontrollmechanismen
gegen Machtmißbrauch.
Dabei sind 1) und 3) bei genauer Betrachtung wiederum Folgen von 2).
Ich kann das auch anders ausdrücken:
Irrglaube ist, die geänderten (sozialistischen) Produktionsverhältnisse
brächten das individuelle sozialistische Bewußtsein hervor. Ohne ständige
Neuerkenntnis und Kontrolle kann kein dynamisches System stabilisiert werden.
Übrigens war der Grund des Scheiterns der urchristlichen Gemeinden aus meiner
Sicht der umgekehrte: Hier wurde das persönliche christliche Bewußtsein in den
Vordergrund gestellt, aber die Veränderung der gesellschaftlichen
Produktionsverhältnisse vernachlässigt.Übereinstimmend sind die fehlenden
Kontrollmechanismen.
Bei der Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung müssen alle
erkannten Fehler der alten kapitalistischen beseitigt werden.
4. Alte Zöpfe [zum Inhaltsverzeichnis]
Hier kann ich keinesfalls einen auch nur annähernden Überblick erreichen,
versuche aber, ein paar wesentliche, aus dem Kapitalismus übernommene, Fehler
zu nennen.
Die Grundzüge des Kommunismus und somit Punkte seines Aufbaus sind:
- bewußter Gemeinnutz Aller
- Erkenntnis und Berücksichtigung von Gesetzmäßigkeiten (Wissenschaftlichkeit).
Beide wurden beim Aufbau des Sozialismus nicht ausreichend beachtet, trotz
anderslautender Behauptungen. Alte Zöpfe der bürgerlichen Ideologie und
Organisation wurden nicht abgeschnitten. So konnte sich weiterhin egoistisches
und parasitäresVerhalten behaupten und von der Führungsriege in Partei und
Gewerkschaft bis in die "übrige" Bevölkerung durchsetzen. Letztlich war die
"Wende '89" dann nur der folgerichtige Übergang individuellen kleinbürgerlichen
Verhaltens zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung. Das war gesetzmäßig,
wurde aber einerseits nicht erkannt und andererseits bewußt und unbewußt aktiv
herbeigeführt.
Als Stichpunkte möchte ich einige beibehaltene Fehler nennen, welche unter
Anderem das Erreichen des kommunistischen Ziels untergruben:
- den Parlamentarismus nach bürgerlich-demokratischem Muster
- das materiell (insbesondere finanziell) ausgerichtete Wertesystem
- Karrierismus (vordergründig nicht auf Kompetenzerwerb, sondern Titel und
Positionen gerichtetes Streben)
- das Zinssystem
- das Versicherungssystem (damit sind nicht die auf dem allgemeinen
Solidarprinzip beruhenden Systeme der sozialen Sicherung gemeint).
Die Erläuterung würde den von mir beabsichtigten Rahmen sprengen, zudem
behandle ich sie teilweise in anderen Aufsätzen (z.B. "Maßnahmen der
Umgestaltung").
5. Kleinbürgerlich? [zum Inhaltsverzeichnis]
Ich gebe zu, daß der von mir verwendete Begriff für die Charakterisierung
individuellen und gesellschaftlichen Fehlverhaltens nicht ganz treffend ist.
Die gesellschaftlichen Produktionsmittel waren mehrheitlich gesellschaftliches
/ gemeinschaftliches Eigentum (Volkseigentum, genossenschaftliches Eigentum),
was sozialistischen Produktionsverhältnissen entspricht.
Insofern ist auch der von der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands)
wie auch der MLPD (Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands) verwendete
Begriff des "Staatskapitalismus" für den "real existierenden Sozialismus" (wie
er zuletzt genannt wurde) nicht zutreffend.
Der Kern der mit "kleinbürgerlich" beabsichtigten Aussage ist, daß auch die
sozialistischen Produktionsverhältnisse zur parasitären Bereicherung Weniger an
der Wertschöpfung der Gemeinschaft genutzt wurden. Nicht aufgrund der
Eigentumsform, sondern dessen, was in der Bevölkerung treffend als
"Privilegien" bezeichnet wurde.
Sicher erscheinen Wandlitz oder ein während der Arbeitszeit im eigenen Garten
in der Sonne liegender Gewerkschaftsfunktionär im Vergleich zum
kapitalistischen Parasitismus lächerlich, aber sie sind Ausdruck eines
Verhaltensmusters und einer Tendenz, welche mit sozialistischem /
kommunistischem Bewußtsein nicht vereinbar sind.
Es war eine neue Form einer egoistischen und parasitären Gesellschaft, welche
sich trotz sozialistischer Produktionsverhältnisse herausbilden konnte und die
Bereicherung einer Minderheit zum Schaden der Mehrheit und der Gemeinschaft
ermöglichte. Hieraus ergibt sich auch der gesetzmäßige Untergang, welcher allen
auf Egoismus und Parasitismus beruhenden Gesellschaftsordnungen gemeinsam ist.
So wurde die "Wende '89" nicht zu einer kommunistischen Revolution, sondern zu
einer kapitalistischen Konterrevolution. Das war gesetzmäßig, da für diese
Situation keine gesellschaftswissenschaftlichen Grundlagen und keine führende
Kraft der Umgestaltung existierten (gerade die "führende Kraft" war ja zum
Hemmschuh des kommunistischen Aufbaus geworden).
Nicht ganz ernst: Da eine Gesellschaftsordnung immer nach ihrer herrschenden
Klasse benannt wird, welche gleichzeitig die übermäßig nutznießende Klasse ist,
könnte man die "real existierende sozialistische" vielleicht als
Malfunktionärismus (die Herrschaft böser Funktionäre) bezeichnen, womit ich
nicht die Existenz guter Funktionäre leugne. (Wer sich an den primitiv
anmutenden Begriffen gut und böse stört, sei auf den Aufsatz "Das Böse"
verwiesen.)
Ganz ernst: Alle egoistischen und parasitären Gesellschaftsordungen lassen sich
unter dem Begriff "Aristokratismus" zusammenfassen, das heißt, die Herrschaft
einer (der herrschenden und übermäßig nutznießenden) Klasse der "Erhabenen",
"Edlen", "Vornehmen", "Privilegierten" über die Mehrheit und damit die
Gemeinschaft. Diese Form ist der Sklavenhaltergesellschaft, dem Feudalismus,
dem Kapitalismus und dem "real existierenden Sozialismus" gemein, unabhängig,
wovon die Erhabenheit abgeleitet wird: von göttlicher Bestimmung, Eigentum oder
im "real existierenden Sozialismus" ihres besonders ausgeprägten
kommunistischen Bewußtseins (wohlgemerkt als Behauptung und nicht als
überprüfbare Tatsache).
Auch wenn das so klingen mag: Die ihre Macht mißbrauchenden Funktionäre waren
keine neue Klasse und der "real existierende Sozialismus" war keine neue
Klassengesellschaft. Das läßt sich z.B. dadurch untermauern, daß sich die
Führung der DDR nicht gewaltsam ihrem Untergang widersetzte (was untergehende
herrschende Klassen tun). Ich möchte sogar behaupten, daß sie sich nicht einmal
ihrer Rolle als Parasiten der Gemeinschaft und Verursacher der kapitalistischen
Konterrevolution bewußt waren. Diese wurde deshalb auch nicht als
Konterrevolution deutlich, sondern erschien als friedliches Zurückgleiten in
die kapitalistische Klassengesellschaft (die kapitalistischen Medien nennen das
"friedliche Revolution")..
Eine allgemeine Tendenz des Betrugs und Selbstbetrugs (geschönte Berichte,
Zweckoptimismus) hatte auch die führende Kraft erfaßt.
Der Sozialismus ist eine Übergangsgesellschaft, allerdings laut
marxistisch-leninistischer Theorie (und auch meiner Auffassung) zum
Kommunismus. Das Verfehlen dieses Übergangs und das Schaffen der
Voraussetzungen für den Rückfall in den Kapitalismus unterstreichen das
Versagen der führenden Kraft und der Gesellschaftswissenschaftler.
6. Die Partei als führende Kraft
[zum Inhaltsverzeichnis]
Die Idee einer kommunistischen Partei als führende Kraft der gesellschaftlichen
Umgestaltung ist unverändert richtig. Diese muß den bewußtesten, aktivsten und
rechtschaffendsten Teil der sozialistischen / kommunistischen Gesellschaft
bilden, in der Klassengesellschaft diesen Teil des Proletariats.
Das war nicht gewährleistet. Absichtsbekundungen und auswendig gelernte Phrasen
genügten zum Erwerb der Mitgliedschaft (zumindest in der SED), auch bei
offensichtlichem Mangel an echtem Verständnis und sichtbar wirksamem Handeln.
So wurde ich nur einmal während meiner Dienstzeit in der NVA (wohl wegen der
guten Leistungen) gefragt, ob ich Mitglied der SED werden wolle. Nach meiner
Antwort "Wenn ich mir die Leute ansehe, die drin sind, lieber nicht.", wurde
ich nie wieder gefragt. Anstatt zu hinterfragen, was an den von mir
kritisierten "Leuten" faul ist, wurde ich scheinbar ad acta gelegt - und vom
Staatssicherheitdienst überwacht. Ich möchte betonen, daß mir trotz
fortgesetzter staatskritischer (und selbst staatsfeindlicher) Haltung, Äußerung
und Handlung nie ein sichtbarer Nachteil erwuchs.
Nicht die Qualität sozialistischen Bewußtseins und Handelns war Maßstab der
Qualität der Partei, sondern die Mitgliederzahl. Allgemeines (rituelles)
Klatschen auf den Parteitagen sollte die inhaltlichen Mängel von Reden und
Programmen überdecken. Für einen Vortrag (oder eine Prüfung?) in ML während des
Studiums versuchte ich z.B., mir das auf dem (ich glaube X.) Parteitag der SED
beschlossene 10-Punkte-Programm einzuprägen. Ich bekam's einfach nicht hin. Mir
wurde der inhaltliche Unterschied der Punkte nicht klar, und ich bin nicht in
der Lage, Texte zu lernen, welche keine logische Struktur und / oder keinen
logischen Inhalt haben.
Dies mag aufgrund der isolierten Fakten polemisch und nicht verallgemeinerbar
klingen.
7. Die SED / PDS und ihre Mitglieder
[zum Inhaltsverzeichnis]
Betrachten wir doch die Entwicklung der Mitglieder und der Partei (SED) nach
der "Wende '89". Sobald aus der Mitgliedschaft kein persönlicher Nutzen mehr zu
ziehen war, verpißten sich die Mitglieder ins Gelände (eine etwas
verharmlosende Umschreibung von Flucht aus dem NVA-Jargon). Die meisten
Ausgetretenen finden sich weder in der PDS oder kommunistischen Parteien, noch
werden sie parteilos als Kommunisten tätig Sie waren heuchlerische
Opportunisten. Die seltenen Ausnahmen wie mein Freund Hans-Jürgen mildern das
Gesamtbild nicht.
Die derzeitige Politik der PDS ist keine kommunistische mehr (Koalitionen mit
bürgerlichen Parteien, derzeit diskutiertes Programm der PDS), sondern aus
meiner Sicht antikommunistisch. (Anmerkung: Inzwischen ist das neue Programm
der PDS beschlossen. Die PDS bekennt sich zu Unternehmertum und Profitstreben
und trennt sich vom Antikapitalismus. Sie ist nun eine bürgerliche Partei. Die
letzte ansatzweise linke Fraktion in den Parlamenten des Bundes und der Länder
wurde in eine rechte umgewandelt. Ich bedauere das nicht, verdeutlicht es doch
nur die Gesinnung ihrer Führung und der Mehrheit ihrer Mitglieder.)
Insgesamt wird sichtbar, daß die Haltung der Mitglieder der SED / PDS schon
immer mehrheitlich eine egoistische und opportunistische war. Sobald
Mitgliedschaft und Absichtsbekundungen keinen persönlichen Vorteil mehr boten,
verließen die Ratten das sinkende Schiff, weil sie schon immer Ratten waren
(wobei ich weiß, daß ich hier den äußerst sozialen Ratten [den Tieren] extremes
Unrecht tue, sie mit derartigen Menschen zu vergleichen).
Ich schreibe das nicht, um meinen Unmut über die bösen SED-Mitglieder
auszulassen, sondern um auf die Bedeutung der führenden Kraft der
kommunistischen Umgestaltung hinzuweisen, deren Mitglieder bei persönlichen und
gemeinsamen Mängeln auf die Gesellschaft verheerend wirken (schließlich sind
wir wieder im Kapitalismus gelandet).
8. Errungenschaften
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Bei allen Mängeln bis hin zum Zusammenbruch des Sozialismus sollten die
Errungenschaften im Gedächtnis bleiben. Ich meine hier nicht die
Errungenschaften, welche als irreführende ostalgische Tränendrüsen-Massage von
den kapitalistischen Medien vermittelt werden.
Ich meine soziale Sicherheit, angefangen von der Kinderbetreuung über
Bildungssystem, Ausbildung / Studium, gesicherten Arbeitsplatz bis hin zur
Altersversorgung, begleitet von einer Gesundheitsversorgung, in deren
Mittelpunkt der Mensch stand (und nicht wie derzeit der Profit). Und natürlich
das gesellschaftliche Eigentum an den gesellschaftlichen Produktionsmitteln.
Letztlich drückte sich das in einem sozialen Umgang miteinander aus, dessen
Umfang sich für ehemalige DDR-Bürger erst jetzt ermessen läßt, nachdem er
verlorenging. Und ich meine auch wirtschaftliche und wissenschaftliche
Leistungen, welche z.B. in der DDR auch ohne Marshall-Plan erreicht wurden. Wir
hatten so viel - und haben es nicht geschätzt; ich auch nicht.
Die Grundlage der Gesellschaft war sozialistisch und man sollte nicht nur im
Gedächtnis behalten, was falsch war, sondern insbesondere, was schon richtig
gemacht wurde. Das brauchen wir zukünftig. Bei technischen Entwicklungen wird
im Falle von Konstruktionsfehlern auch nicht die Maschine weggeworfen, sondern
die fehlerhafte Baugruppe überarbeitet und der funktionierende Rest beibehalten.
9. Der nächste Versuch
[zum Inhaltsverzeichnis]
Wir werden - wie bereits dargelegt - immer wieder einen nächsten Versuch haben,
da der Kapitalismus wie jede andere egoistische und parasitäre
Gesellschaftsordnung immer wieder in einem Zusammenbruch (anders ausgedrückt,
einer revolutionären Situation im Leninschen Sinne) enden wird.
Die Zeit arbeitet für uns (bzw. den Sozialismus / Kommunismus). Die Erkenntnis
des Richtigen und Falschen nimmt im geschichtlichen Prozeß zu. Es liegt an uns,
sie wissenschaftlich so aufzuarbeiten, daß der nächste Versuch der letzte wird,
zunächst eine stabile sozialistische Gesellschaftsordnung zu errichten und aus
ihr die langzeitstabile (ich möchte schwärmerisch sagen: ewige) kommunistische
(zur Erinnerung: globale gemeinnützige unter Anerkennung, zunehmender
Erkenntnis und Berücksichtigung objektiver Gesetzmäßigkeiten in Materie,
Bewußtsein und Gesellschaft).
10. Gestaltung von Kontrollmechanismen
[zum Inhaltsverzeichnis]
In der Geschichte (und selbst gegenwärtig) fanden und finden sich mehrfach
Vorformen einer sozialistischen / kommunistischen Gesellschaft. Angefangen von
der Urgesellschaft (vor der Möglichkeit eines gesellschaftlichen Mehrprodukts)
über Stammesgesellschaften (insbesondere die keltische, aber auch derzeit
bestehende wie der Sami oder Buschmänner), urchristliche Gemeinden, Pariser
Kommune bis hin zu den sozialistischen Ländern und deren Gemeinschaft (RGW,
Warschauer Vertrag).
Ich weiß, daß ich zur (manchmal auch falschen) Vereinfachung neige. Aber ich
sehe einen wesentlichen Grund für das Scheitern aller dieser Versuche in der
schon genannten mangelnden Kontrolle gegen inneren und äußeren Machtmißbrauch.
Betrachtet man die Menschheit einschließlich ihrer Umwelt als die zukünftige
kommunistische Gemeinschaft, reduziert sich der Fehler auf den inneren
Machtmißbrauch zum Nutzen von Einzelnen oder Gruppen zum Schaden der Mehrheit
und damit der Gemeinschaft (im weitesten Sinn Menschheit und Umwelt).
Menschen mit übersteigertem Machtstreben (Herrschsucht) neigen offensichtlich
zum Machtmißbrauch - weil im Zentrum ihres Interesses die Macht und deren
Ausübung steht und nicht Kompetenzanwendung im Interesse der Gemeinschaft. Das
kann nur durch wirksame Kontrollmechanismen verhindert werden.
Das "demokratisch parlamentarische" Mehrparteiensystem des Kapitalismus ist
dazu ungeeignet (und wurde dummerweise nur leicht abgewandelt im "real
existierenden Sozialismus" beibehalten). Es beruht im Wesentlichen darauf, daß
die Entscheidungsträger durch Mehrheitsbeschluß gewählt werden, dann aber die
Spielregeln ihres Machterhalts und der Machtausübung (einschließlich Mißbrauch)
selbst festlegen können.
Selbst in der Schweiz, wo über alle möglichen politischen Entscheidungen eine
Volksabstimmung erfolgt, wird von der herrschenden Klasse vorgegeben, was zur
Abstimmung kommt. Eine solche Zweipunkt-"Demokratie" (Wähler und Gewählte) ist
nicht kontrollierbar. Auch der vielbeschworene Kontrollmechanismus
"Gewaltenteilung" in Legislative, Exekutive und Judikative ist keiner, da alle
seine führenden Personen der Aristokratie (den Privilegierten) der jeweiligen
Gesellschaftsordnung angehören. (Aristokratie (die, -, -n) Aristokratenschicht;
Aristokrat (der, -en, -en) 1 Adliger 2 privilegierter, vornehmer Mensch [gr.])
Eine wirksame Kontrolle ist durch eine unmittelbar am Wohlergehen der
Gemeinschaft interessierte Kraft zu erreichen, eben die führende Kraft der
kommunistischen Umgestaltung. Sie muß einerseits den Trägern von
Sachentscheidungen bei- und übergeordnet sein, darf aber andererseits kein
materielles oder anderes persönliches Interesse an diesen Entscheidungen haben.
Wie in anderen Aufsätzen erwähnt, halte ich die Organisationsform der
keltischen Stammesgesellschaft (z.B. des Irischen Königtums) für einen
brauchbaren Ansatz. Der König wurde demokratisch (wenn auch nur durch die
Aristokratenkaste) gewählt (also völlig anders als in der Erbmonarchie). Er
verlor bei Sichtbarwerden körperlicher oder (noch schlimmer) moralischer Mängel
sein Amt. Ihm zur Seite gestellt war ein Intellektueller / Naturwissenschaftler
/ Priester / Philosoph (Druide), welcher über politische Entscheidungen wachte
und letztendlich entschied (die wahrscheinliche Grundlage der Artus / Merlin -
Sage). Überliefert ist, daß in mehreren Fällen auf Beschluß der Könige zur
Schlacht aufgestellte Heere nach Entscheidung der Druiden nach Hause gingen.
Die Druiden wiederum hatten kein persönliches Eigentum, sondern wurden von der
Gemeinschaft unterhalten. Sie hatten somit ein unmittelbares Interesse an deren
Wohlergehen und nicht an dem der Aristokraten.
Diese Organisationsform war über Jahrhunderte stabil und brachte unter Anderem
eine kostenlose Gesundheitsversorgung der Armen im vollen Umfang und eine
Rechtsprechung nach moralischen Grundsätzen hervor. (Hier würde zu weit führen,
den Begriff "Moral" zu behandeln. Die gemeinte ist am Ehesten mit dem Begriff
der "natürlichen Moral" gleichzusetzen, welcher u.a. von Papst Johannes Paul II
verwendet wird.)
Die keltische Stammesgesellschaft wurde erst durch äußere Feinde (erst das
Römische, dann das Britische Imperium) zerstört. Nun ja: Ein guter Ansatz, aber
gegen innere und äußere Feinde nicht ausreichend gewappnet. Zumindest haben
aber die inneren Kontrollmechanismen sichtlich funktioniert.
11. Der dritte Schritt
[zum Inhaltsverzeichnis]
Wie so oft versuche ich, den dritten Schritt vor dem ersten zu machen. Dennoch
will ich mein Modell vorstellen:
Die Angehörigen der führenden Kraft sollten ein (von der Gemeinschaft
bereitgestelltes) Einkommen in Höhe eines festgelegten Mindesteinkommens der an
der gesellschaftlichen Wertschöpfung Teilnehmenden haben. Dieses muß auch Allen
zugestanden werden, welche aus objektiven Gründen (Erkrankung, Alter,
Arbeitslosigkeit trotz Arbeitswille in der Übergangsphase) an der
gesellschaftlichen Wertschöpfung nicht teilnehmen können. Nur so ist zu
verhindern, daß die führende Rolle zum Machtmißbrauch führt. Die führende Kraft
muß unmittelbar am Wohlergehen der Gemeinschaft und derer schwächsten Glieder
interessiert sein.
Aber das ist im Angesicht der kapitalistischen, inzwischen imperialistischen
und zunehmend faschistischen Gesellschaftsordnung Zukunftsmusik und soll nur
ein Denkansatz der praktischen Kontrollausübung sein.
12. Gescheiterter Kommunismus?
[zum Inhaltsverzeichnis]
Um zum Anfang zurückzukommen: Der Kommunismus ist nicht gescheitert, weil er
nie errichtet wurde. Im Gegenteil: der beschrittene Weg führte zunehmend von
diesem Ziel weg. Nach wie vor bleibt der Kommunismus die notwendige und
gesetzmäßig folgerichtige Gesellschaftsordnung der Zukunft. Der Kapitalismus
(wie jede andere egoistische und parasitäre Gesellschaftsordnung kann nicht
langzeitstabil funktionieren, der Kommunismus hat nur noch nicht langzeitstabil
funktioniert.
Nur durch Erkenntnis und Erfahrung können wir fliegen. Und siegen.
13. Nachtrag: Kommunismus und Religion
[zum Inhaltsverzeichnis]
Wahrscheinlich ist nicht sofort begreiflich, wie Hans-Jürgen und ich als
Vertreter eines kommunistischen bzw. christlichen Weltbildes gemeinsam handeln
können. Das liegt wohl daran, daß sowohl vom Kommunismus als auch vom
(Ur-)Christentum verschwommene Vorstellungen bestehen und bestenfalls noch
bekannt ist, daß Marx die Religion als "Opium des Volkes" bezeichnete und die
Vertreter der institutionellen Religionsgemeinschaften den Kommunismus ablehnen
(dessen meiste Vertreter ja zudem Gott verneinen).
Um nicht zu weit abzuschweifen (in anderen Aufsätzen, vor Allem "Der Beweis
Gottes" finden sich weitere Erläuterungen): Die Ziele des Kommunismus und der
christlichen Religion sind die globale kommunistische Gesellschaft bzw. das
Reich Gottes (eine Menschheitsgemeinschaft als weltumspannender Leib Christi).
Mit einfachen Worten beinhalten beide Ziele (das gemeinsame Ziel?) eine
weltweite gemeinnützige Gesellschaft auf der Grundlage der Anerkennung und
Berücksichtigung
- objektiver Gesetzmäßigketen (laut Kommunisten)
- Gottes und seiner Gebote (laut Christen u.a.).
Vielleicht bin ich zu einfältig, den grundlegenden Unterschied zu erkennen,
vielleicht aber auch nur nicht so dogmatisch wie Andere. Aus meiner Sicht sind
die Ziele deckungsgleich (man muß nur die Organisationsprinzipien
urchristlicher Gemeinden in der Apostelgeschichte 4,32ff. nachlesen) und selbst
die Grundlagen sehr ähnlich. Also sollten wir erst einmal den Kommunismus bzw.
das Reich Gottes errichten und uns praktischen Schritten zuwenden - danach ist
die Zeit, sich über philosophische und religiöse Details zu einigen.
Da nur eine Wahrheit (objektive Realität) existiert, können, müssen und werden
sich die Erkenntnisse von Religion, Naturwissenschaft und Philosophie einem
Punkt nähern: der gemeinsamen richtigen Erkenntnis dieser Wahrheit.
Ich schreibe das so ausführlich, um der Frage zuvorzukommen, wie sich ein
Christ die Analyse des vorläufigen Scheiterns des kommunistischen Aufbaus
anmaßen kann.
Hier geht es zu einem neueren Text. Ich hielt ihn als einen der zwei
Einführungsvorträge der marxistischen Schulung (MASCH) zum Thema: "Versuch einer Analyse von Ursachen und Bedingungen für die zeitweilige Niederlage des Sozialismus in der DDR".
10.10.2003, geändert 17.03.2004
Torsten Reichelt